Montag, 27. Juni 2016

Goodbye USA - thanks for awesome 5393,79 km on my bike!

Eigentlich hatte ich versprochen meinen beiden Omas ganz viele Postkarten zu schreiben. Doch in Ohio, Indiana und Illinois stellt die Suche nach Postkarten eine unlösbare Aufgabe für mich dar. "Du kannst ja eine Glückwunschkarte schreiben. Ist ja fast eine Postkarte", diese Antwort ist vielleicht ein Versuch, aber keine Lösung für mich. Ich hoffe einfach, dass ich am Lake Erie auf Postkartenverkaufsstände treffe und mit ihnen auf eine schönere Landschaft. Da es freilich nicht immer durch atemberaubende Landschaften gehen kann, fahre ich pro Tag einfach ein paar Kilometer mehr und komme recht schnell voran.
Etwa 50 Kilometer vor Cleveland mache ich eine verspätete Mittagspause in einer Bar direkt am See gelegen, ein kleiner Campingplatz schliesst sich an die Bar an. Der Barkeeper fragt mich wo ich denn noch hinmöchte und als ich mit "Cleveland" antworte, schüttelt er den Kopf. Das sei keine gute Idee, Cleveland hat die NBA gewonnen - ein historischer Sieg - die ganze Stadt steht Kopf. Für den kommenden Tag ist eine grosse Parade angekündigt. Ich entschliesse mich kurzfristig mein Zelt bereits hier aufzubauen, um dann am nächsten Tag nach Cleveland zu fahren und ein bisschen mitzufeiern. Und ich lasse es mir nicht nehmen, im Lake Erie zu baden. Der See ist bereits jetzt schon sehr warm und einen feinen Sandstrand gibt es ganz für mich alleine als Zugabe obendrauf.
Am nächsten Tag checke ich in Cleveland in einem Hostel ein, in meinen Zimmer schlafen noch weitere drei Männer und zwei Frauen. Schon beim Einchecken werde ich von einer älteren Dame angequatscht. Sie ist eigentlich nett, hat aber eine spezielle Art an sich. Seit ein paar Jahren verbringt sie ihre Zeit mit Reisen, weil ihr Gott das so aufgetragen hat. Sie beschwert sich bei mir allerdings, dass ihr niemand diese Reisen bezahlt. Dann löchert sich mich mit Fragen und wäre ich etwas labiler, ich hätte meine Reise sofort abgebrochen: sie berichtet mir von Mord und Totschlag. Wie kann ich auch nur in einem gemischten Zimmer nächtigen? Das sei viel zu gefährlich wegen der Männer - Männer kommen bei ihr generell nicht sehr gut weg. Ich denke an "Airolo - Göschenen", stelle auf Durchzug und nicke freundlich. Nach einem anstrengenden Radtag ist mir das ein wenig viel... Nach dem duschen mache ich mich auf dem Weg in Richtung Stadtzentrum, es ist soviel los! Mir vergeht nach nur fünf Minuten die Lust auf feiern, viele Krankenwagen, laute Menschen, viele Autos. Ich fühle mich unwohl und beschliesse den Tag auf der Dachterrasse des Hostels ausklingen zu lassen.
Die nächsten beiden Tage geht es direkt am See entlang, in riesigen Schritten in Richtung Kanada. Ich habe vor die Niagarafälle zu besuchen und möchte in Buffalo über die Grenze radeln. Die Sonne verwöhnt mich, die Strecke am Lake Erie entlang ist wunderschön und ruhig. Ich verlasse Ohio und bin für einen Tag in Pennsylvania. Dann geht es auch schon nach New York.
Irgendwo auf dem Highway 20 mache ich in einem kleinen Restaurant direkt an der Strecke meine Mittagspause. Auf der Karte finde ich nicht wirklich etwas was mich spontan anlacht. Aber die Dame am Nachbartisch geniesst ein verspätetes Frühstück mit Rührei und Toast. Ich frage bei der Bedienung nach und erhalte kurze Zeit später exakt das gleiche Gericht. Lecker! Ich komme mit der älteren Dame vom Nachbartisch und ihrer Tochter ins Gespräch. Sie erzählt mir, dass sie früher - vor 50 Jahren - auch mal eine längere Radtour auf dem Highway 20 unternommen hat. Damals fuhren hier noch viele Trucks und da sie nur kurze Shorts trug, wurde ab und zu kurz gehupt. Aber sie wusste sich mit einem Fingerzeig zu helfen und zeigte mir kurz ihren Mittelfinger. "Das wirkte", erzählt sie mir. Ich kann es kaum glauben, die Dame ist geschätzt weit über 85 Jahre alt und grinst mich schelmig an. Absolut fit im Kopf erzähl sie noch ein wenig weiter, dann verabschieden sich beide von mir und verlassen das Restaurant. Die Bedienung kommt, macht den Tische sauber und teilt mir mit, dass mein Lunch von ebendiesen beiden Damen bezahlt wurde. Ich schaue sie ein wenig ungläubig an, frage noch mal nach. "Are you kidding me?!" Ich lasse Gabel und Messer liegen und renne schnell nach draussen, passe die beiden gerade noch ab und kann mich bedanken, woraufhin mich die Tochter ganz herzlich umarmt. Wow!
Gestärkt geht es weiter Richtung kanadische Grenze. Meine letzte Nacht in den USA verbringe ich auf einem Zeltplatz direkt am See. Ich habe noch nie am Strand gezeltet. Der Sand macht das Aufstellen des Zeltes zur kleinen Herausforderung, aber es klappt nach ein bisschen nachjustieren. Direkt neben mir kampieren Rhonda und ihre Schwester in ihrem Wohnmobil. Zum Frühstück bin ich herzlich eingeladen. Zuerst können wir allerdings einen wunderbaren Sonnenuntergang am Lake Erie bewundern. Wie gemalt senkt die Sonne sich Richtung Wasser und taucht die vereinzelten Wolken in warme Farben. Der Strand ist zwar voll von Campern und Zelten, aber alle sind scheinbar gebannt von diesem Sonnenuntergang - welcher hier so zweifelsohne oft zu bewundern ist.
Am nächsten Morgen wache ich ausgeruht auf und besuche die Sanitäranlagen. Ich bin noch nicht komplett wach, bis ein lauter Knall das ändert. Schlagartig sitze ich im dunkeln, die Sicherung ist raus. Oder irgendwas defekt. Auf jeden Fall ist der Strom weg und das Licht aus. Es ertönt ein lauter Schrei und daraufhin Gezeter: "das darf doch nicht wahr sein! Ich habe mit gerade meine Haare voller Shampoo!" Ich komme noch glimpflich weg. Später erfahre ich, dass der Schrei aus der Dusche von meiner Nachbarin kam und der Strom auf dem ganzen Campingplatz ausgefallen ist. Ohne Strom gibt es auch keinen Kaffee, geschweige denn ein Frühstücksei oder Bacon. Aber Rhonda weiss sich zu helfen und schmeisst kurzerhand um 7 Uhr morgens den Generator an ihrem Wohnwagen an. Wirklich leise ist der allerdings nicht. Und um das ganze noch zu toppen hat dieser Generator irgendwelche Schwierigkeiten, geht etwa 10 mal von alleine aus und muss wieder gestartet werden. Was auch nicht wirklich leise ist. Scheint aber niemanden zu stören, liegen vielleicht alle in ihren Zelten und sind genervt... Da der Generator auf uns keinen zuverlässigen Eindruck erweckt, beschliessen wir es bei einem Kaffee zu belassen. Denn die Gefahr, dass der Bacon nicht in einem Rutsch gebraten werden könnte ist uns beiden zu gross. Wir quatschen und nach etwa einer Stunde ist der "richtige" Strom wieder da und es gibt doch noch ein leckeres Frühstück.
Gestärkt geht es weiter in Richtung Osten. Ich erreiche nach einem weiteren Radtag die Grenze zu Kanada. Ich möchte über die Peace Bridge einreisen, dort ist aber gerade eine Grossbaustelle und somit stehe ich erst mal ein bisschen planlos vor der Brücke - wo lang als Radfahrer? Es dauert aber keine Minute und eine nette Dame in einer Art Golfcaddy fährt auf mich zu und teilt mir mit ich sei falsch. Sie möchte mich aber nicht wieder retour schicken und eskortiert mich kurzerhand zur Brücke, ich soll einfach ihrem Golfcaddy folgen. Auf der anderen Seite der Brücke angekommen, geht es auf zu den Einreiseformalitäten. In die Autoschlange einreihen, Helm und Sonnenbrille abnehmen und Pass herauskamen. Mein Pass wird aufmerksam durchgeblättert und der Blick des Zöllners bleibt eine gefühlte Ewigkeit an meinem Russland Stempel hängen. Er stellt mir ein paar Fragen, was da so in meinem Taschen sei, woher ich komme und so ich hinmöchte. Dann macht er den kanadischen Einreisestempeln in meinen Pass, wünscht mir eine gute Reise und lässt mich passieren. Das ging doch reibungslos vonstatten.
Reibungslos ist auch die Strecke bis zu den Niagarafällen entlang einer verkehrsarmen Uferstrasse. Schneller als gedacht sehe ich dann auch schon in der Ferne grosse Hochhäuser. Und als ich noch näher komme eine relativ grosse weisse Gischtwolke. Das Wasser stürzt hier beeindruckend in die Tiefe, da könnte ich den ganzen Tag zuschauen. Es gibt viel zu entdecken, ein spannendes geschäftiges Treiben.
Durch schöne Weinanbaugebiete radelt es sich entspannt bis nach Toronto. Dort lernte ich am gestrigen Abend Bipasha und Beryl kennen. Drei Frauen, die sich alle noch nie zuvor gesehen haben, bestellen sich gemeinsam eine Flasche Wein und philosophieren über das Leben. Ich geniesse den Abend, denn die Geschichten und deren Background sind spannend. In dieser Gegend gefällt es mir und ich werde ein paar Tage pausieren.






Samstag, 18. Juni 2016

Begegnungen in Illinois & Indiana

Nach einem Tag auf der Route 66 muss ich auch schon wieder runter von der Kultstrasse, ich möchte ja nach Neufundland und nicht nach Chicago. Also rechts abbiegen und immer weiter Richtung Osten pedalen.
Landschaftlich gibt es auf meiner Route keine grossen Highlights. Viele Felder, kleine Farmen, ab und zu ein Waldstück, vereinzelte Häuser, ein paar Seen und Flüsse. Ab und an eine Stadt, Atomkraftwerke und Windräder.
Für einen halben Radtag bin ich tatsächlich mal nicht alleine unterwegs. Steve habe ich auf dem Katy Trail kennengelernt, kurzfristig wollten er und seine Frau mich gerne für ein paar Kilometer begleiten. Wir fahren und quatschen viel und ruck zuck sind die ersten 80 Kilometer gefahren, wir machen Mittagspause und die beiden verabschieden sich wieder.
Aber richtig alleine bin ich ja nie. Vor allem nicht, wenn ich in Ruhe einen Kaffee geniessen oder auf der Strasse meinen Gedanken nachhängen möchte...
Am nächsten Tag werde ich von einem Polizeiauto überholt und angehalten. Also wegen "speeding" - Geschwindigkeitsübertretung - werde ich sicher nicht angehalten... Der Officer ist nur interessiert woher ich komme, wohin ich fahre und ob es mir gut geht. Ich erhalte "just in case" seine Visitenkarte. Wenn ich Hilfe brauche soll ich ihn anrufen. Wir machen noch ein Selfie und dann verabschieden wird uns voneinander. Ich fahre weiter auf einer herrlich ruhigen Strasse, etwa zwei Meilen parallel zum Highway verlaufend. Aber ich komme nicht richtig voran heute. Was ist hier los? Woher wissen die Menschen das ich eine Transamerikatour mache? Ich kann 1:1 zusammenzählen und eine ältere Dame bestätigt mir, dass sie vom Officer informiert wurde. Und sie sei doch so neugierig! Hat extra auf mich gewartet und löchert mich mit Fragen auf die ich gerne Antwort gebe. Es gesellt sich noch eine Nachbarin hinzu und wir kommen ins tratschen. Die beiden älteren Herren, welche mich mit ihren Pickups anhalten, sind nicht ganz so neugierig, wollen aber mal einen näheren Blick auf diesen verrückten Radfahrer werfen. Kurzfristig entsteht sogar eine kleine Telefonkette und ich werde drei Meilen weiter telefonisch angekündigt.
Ich komme dann aber doch noch in Monticello an und schiebe einen Ruhetag ein. Ein schönes Hotel und ich tue einen Tag lang gar nichts, ausser Wäsche waschen, mein Fahrrad reinigen, schlafen, schwimmen und relaxen.
Heute geht es dann wieder auf die Strasse. Ich weiss, die ersten 60 Kilometer wird es etwas mühsam, denn ich werde den geschäftigeren Highway bis Peru nehmen. Dort sehe ich zufällig ein Fahrradgeschäft, brauche ja früher oder später vorne einen neuen Mantel und eine neue Reflektorweste (meine alte Weste liegt irgendwo auf der Route 66). Ich soll das ganze Rad reinschieben und der Mantel wird direkt aufgezogen, eine neue Kette hat das Rad nun auch erhalten und im Idealfall sollte das so alles auch bis Neufundland halten. Das ist mal ein Service, da war ich im richtigen Geschäft. Zac, der Mechaniker, kennt sich perfekt aus. Selbst die Rohloff Schaltung ist bekannt, begeistert von meinem Rad macht er sich direkt an die Arbeit. Nun schnurrt mein fahrbarer Untersatz wieder wie neu und ich erreiche mein Nachtquartier in der Nähe von Warren.
Morgen bin ich dann auch schon wieder raus aus Indiana, es geht weiter nach Ohio. Zufällig bemerkte ich übrigens erst beim Einchecken im Hotel, das ich beim Übertritt von Illinois nach Indiana wieder eine Stunde verloren habe.

Zac & Shannon, in den Händen von Zac fühlt sich mein Rad pudelwohl! 
Das ist Steve, er ist Fotograf und begleitet mich für einen halten Tag. 
Zwischenstopp in einem gemütlichen Café, die Jungs haben den Laden im Griff ;-). 
Master Trooper Joseph - Joe - 
Die neugierige Dame und ihre Nachbarin - beide sehr sympathisch :-).

Dienstag, 14. Juni 2016

(Get Your Kicks On) Route 66

Ich dachte ja auf dem Rad könnte es über Tag nicht heisser werden als es die vergangenen Wochen schon war, doch dieser Tag toppt temperaturtechnisch einfach alles. Vorweg: heute hat es tatsächlich einmal kurz geregnet! Die nassen Strassen sind schneller abgetrocknet als ich schauen kann. Es kühlt um 10 Grad auf angenehme 36 Grad Waschküchentemperatur hinunter. Nur um danach wieder langsam aber kontinuierlich anzusteigen.
Ich fahre heute den gesamten Tag auf der historischen Route 66. Das diese Strasse historisch ist, merke ich auch am Strassenbelag. Ich werde ordentlich durchgerüttelt. Auch die Beschilderung ist nicht so einfach und durchgängig. An einem Punkt muss die Interstate genutzt werden. Nur Fahrräder, die müssen wo anders lang, aber wo? Ich versuche mich an einer Strasse direkt neben der Interstate, nur leider hört diese nach gut zwei Meilen einfach auf. Ich frage mein Handy um Rat und tatsächlich, weit kann es bis zur Anschlussstrasse nicht sein. Also geht es weiter auf einem kniehoch mit Grünzeug bewachsenem Feldweg, hier klappt das mit dem Radfahren noch. Dann kommt die Strasse in Sichtweite! Nur leider verlaufen davor Eisenbahnschiene und es steht auch noch ein Zug einfach so in der Landschaft herum, versperrt mir den Weg. So nah und doch so fern. Ich bücke mich, luge unter dem Zug hindurch und sehe eine wunderbar asphaltierte Strasse. Ob mein Rad unter dem Zug hindurch passt? Genug Platz müsste da vorhanden sein, ist ein Güterzug. Vielleicht ohne Taschen? Ich verwerfe die Idee aber schnell wieder. Wer weiss wann der Zugführer gedenkt los zu rollen. Stattdessen muss ich mich entscheiden: rechts oder links am Zug entlang? Welcher Weg ist wohl der kürzere? Weder rechts noch links sehe ich das Zugende. 50/50 - ich laufe links rum, denn in diese Richtung kann ich zumindest ein Haus sehen. Also ist dort auch ein Weg. Ich schiebe mein Rad auf groben Steinen am Zug entlang. Ich selbst laufe mehr oder weniger im Gestrüpp. So sehen meine Beine nun auch aus. Aber ich bin erfolgreich, kann vor der Lok über die Bahngleise und auf die Strasse wechseln. Ich bin schweissgebadet und matschig noch dazu.
Weiter rollte es bis Springfield, dann verliert sich die Route 66. Orientierungssinn ist gefordert. Und ein paar Schutzengel mehr, es sind viele Autos unterwegs. An einer Tankstelle fragt mich ein älterer Herr, ob er für mich beten darf. "Ja natürlich", antworte ich und dachte er würde mich in sein Sonntags- oder Abendgebet einschliessen. Er steigt allerdings aus seinem Auto aus, legt eine Hand auf meine Schulter, die andere Hand auf meinen Sattel. Und dann fängt er an zu beten. Und er betet und er betet... Als er fertig gebetet hat, verabschiede ich mich bei ihm mit den Worten "god bless you" - so wurde auch ich schon oft verabschiedet - und er freut sich sehr darüber.
Geld abheben am ATM Drive-through.
Man beachte die kleine Zahl oben links im Tacho und das bereits um kurz nach 11 Uhr!
Schieben ist angesagt...
Typisches Bild für die heutige Etappe. 
Kurz vor dem Ziel in Lincoln / IL. 

Sonntag, 12. Juni 2016

Mit der Fähre über den Mississippi

Ich radle in den vergangenen Tagen auf dem Katy Trail in Richtung Osten. Schön flach, immer entlang vom Missouri River.
Je näher ich nach St. Louis komme, desto städtischer werden die Menschen. Ich fahre hier durch das Naherholungsgebiet von St. Louis und das merke ich, nicht nur an den vielen Radfahrern - was mich sehr freut - sondern auch an den Preisen und Buchungen für die B&B Unterkünfte - was mich nicht sehr freut. Über das Wochenende sind kaum Unterkünfte zu finden, die meisten liegen deutlich über meinem Budget. Aber das konnte ich mir ja denken und so geniesse ich den tollen, autofreien Weg bis nach St. Charles. Dort biege ich ab und nehme die Fähre über den Mississippi nach Illinois, meinen siebten Bundesstaat der USA.
Während es in Missouri eigentlich sehr viel auf und ab geht, verläuft der Katy Trail nahezu eben. Ich geniesse das entspannte dahingleiten und die mit viel Liebe und Herzblut eingerichteten B&B am Trail. Man fühlt sich für eine kurze Zeit als Teil der Familie, nutzt man doch das gesamte Haus. Das ist das Konzept: man soll sich wie zu Hause fühlen.
Als ich in Hartsburg in ein B&B einchecke erwähnt meine Gastgeberin, dass es für diese Nacht noch vier weitere Gäste geben wird, die drei Bäder müssten wir uns teilen. "Kein Problem" antworte ich, denn ich habe beide Pärchen bereits auf dem Trail kennengelernt. Bei dieser Übernachtung in Hartsburg zaubert Mark - der Gastgeber - nicht nur ein hervorragendes Frühstücksomelett, sondern zum Nachtisch am Abend - als Mitternachtssnack sozusagen - eine kleine Torte mit Erdbeeren. Dazu gibt es guten Kaffee.
Die Tage auf dem Rad sind sehr warm, ich radelte nun auch durch Missouri ohne einen Tag unter 35 Grad Celsius. Bleibe ich stehen, bin ich schweissgebadet. Sogar meine Unterschenkel sind nass. Das sind harte Tage, aber man gewöhnt sich bekanntlich an alles und dieses Wetter würde man ja normalerweise als perfektes Hochsommerwetter bezeichnen.
Heute kreuzte ich den Mississippi, morgen plane ich die Route 66 zu erreichen. Dann geht es in grossen Schritten in Richtung Lake Erie und Kanada.

Auf dem Katy Trail Nr. 1
Auf dem Katy Trail Nr. 2 
Ein Beispiel, wo die ganzen Briefmarken herkommen, die ich so benötige :-). 
Wenn die Strasse an deinem Finger klebt, ist es definitiv zu warm...
Zum Abschluss gibt es heute einen kühlen Cocktail, einen tollen Ausblick auf den Mississippi und einen romantischen Sonnenuntergang.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Willkommen auf dem Katy Trail!

Der Tag nach dem 200 Kilometer Ritt war hart. Sehr hart, ich musste ordentlich beissen, bis ich in Windsor ankomme. Die Strassen sind schnurgerade und wellig. Auf bis zu 8 % Steigung für ein paar zerquetschte hundert Meter folgen 8 % Gefälle für die gleiche Distanz. Es ist selten eben.
Aber ich hatte eine gute Nacht und kann regenerieren, heute starte ich also freudiger Erwartung auf den Katy Trail. Und ich werde nicht enttäuscht!
Die ersten Kilometer sind eben und es sind vor allem wilde Kaninchen, welche mir Sorgen bereiten. Sie wechseln die Trailseiten schneller als ich schauen kann, immer schön kurz vor meinem Rad. Getreu nach dem Motto: "Sie wissen schon was sie tun", fahre ich unbeirrt weiter. Ich hoffe einfach, dass ich kein Häschen erwische. Bei all den geschlagenen Haken könnte ich noch nicht einmal ausweichen oder bremsen.
Der Trail lässt sich perfekt fahren. Eine Bahntrasse, welche für die Bedürfnisse von Wanderern und Radfahrern umgebaut wurde. Die Strecke ist oft von Bäumen gesäumt, sodass ich der Sonne entfliehen kann. Ich merke wie entspannt das Radfahren auf einem solch perfekten Weg ist. Ich muss mir keine Gedanken um Autos, nicht angeleinte Hunde, Strecke und Servicemöglichkeiten machen. Einfach alles ist perfekt organisiert, ich freue mich hier unterwegs zu sein.
Meine erste und einzige Pause mache ich heute in Sedalia. Ich verlasse den Trail an der 16. Strasse und fahre Richtung Zentrum. An einem kleinen Laden - welcher Donuts und Kaffee verkauft - stoppt mein Rad. Ich öffne die Tür und am Stammtisch sitzen sieben gestandene ältere Herren, welche mich begrüssen. Der letzte freie Platz an diesem Tisch wird mir angeboten. Ich kann gar nicht so schnell schauen: meine Rechnung ist bezahlt, bevor ich Platz nehmen kann. Neugierig werde ich von allen Richtungen mit Fragen gelöchert. Dann geht alles Schlag auf Schlag: einer der Herren fragt mich, ob ich noch Zeit hätte. Er würde gerne die Zeitung anrufen für ein Interview. Faith vom Sedalia Democrat trifft keine zehn Minuten später im Donut Geschäft ein und interviewt mich. Fotos werden gemacht. Ein Herr verabschiedet sich von mir per Handschlag und - wie im Film - überreicht mir mit einem Augenzwinkern in seiner Hand versteckt einen 100 $ Schein, wünscht mir gute und sichere Fahrt und verschwindet. Der zweite ältere Herr, welcher sich von mir verabschiedet, ist ein baptistischer Priester und wird für mich beten. Der nächste Herr übergibt mir freudestrahlend eine kleine Tüte gefüllt mit Leckereien. Dann verabschiede ich mich und die Besitzerin überreicht mir eine riesige Tüte voll mit Donuts, sicherlich 10 Stück, beträchtlich schwer. Ich wollte doch nur einen Kaffee und einen Donut...
Ich fahre los und es drängt sich eine Frage auf: was bitte mache ich mit über einem Kilo Donuts? Aufessen? Und wie lange halten sich Donuts bei über 30 Grad? Ich beschliesse sie nicht zu essen, sondern zu verschenken und finde auch bald eine kleine Gruppe von fleissigen Bauarbeitern, welche sich sehr freuen.
Wieder auf dem Trail komme ich gut voran. Ich unterhalte mich kurz mit einem Reiseradfahrer, welche seine Tour gemeinsam mit einem Dinosaurier unternimmt. Da freut sich die Ente!
Dann bremst mich ein weiter platter Reifen aus. Ich beschliesse im nächsten kleinen Ort beim einem schnuckeligen B&B nach einem Zimmer zu fragen, verzichte auf das Reparieren des Reifens und pumpe für die verbleibenden drei Meilen dreimal nach. Und tatsächlich: Jerry hat ein Zimmer frei, ich bekomme die "Honeymoon Suite" und repariere nach dem Duschen ganz in Ruhe den platten Reifen. Den Mantel tausche ich gleich mit aus, das Profil war bereits sehr weit runtergefahren.
Dann lerne ich Babs und Tom kennen. Die beiden sind pensioniert und fahren den Katy Trail in kleinen Etappen. Sie laden mich zum Abendessen ein und danach lassen wir den Abend gemeinsam mit Jerry und einem Stück von ihm selbst gemachtem Bananen Pie auf der Veranda ausklingen.

Eine typische Raststation auf dem Trail.
Ein kurzer "Schnack" mit dem Kollegen... 
Im Donut Café, vor der "Hall of Fame".

Wer den Artikel gerne lesen möchte, findet ihn unter folgendem Link:
http://sedaliademocrat.com/news/12831/swiss-cyclist-stops-for-donuts

Dienstag, 7. Juni 2016

Ein heisser Ritt durch Kansas

Was war das jetzt mit dem Wind und den Tornados? Ein laues Lüftchen wehte in der letzten Woche in Kansas, von allen Seiten ein bisschen. Dazu Sonne und Hitze. Auf dem Rad um die 35 Grad. In den Mittagsstunden über 40 Grad, beim fahren! Ich bin langärmelig unterwegs, damit ich mir die Arme nicht verbrenne. Die Sonnencreme mit LSF50 ist zwar gut, kann aber auch keine Wunder vollbringen.
Kansas ist bei weitem nicht nur flach. Im Osten geht es wellig daher, da kommen schon ein paar Höhenmeter zusammen. Viele Kühe, viele Felder, kleine Ortschaften am Wegesrand. Nett anzusehen und gut zum radeln. Sonst passiert nicht viel, also wirklich nicht viel. Herzliche, kommunikative, hilfsbereite Menschen und rücksichtsvolle Autofahrer. Unmengen an Schlangen, Schildkröten und Gürteltieren, von klein bis gross. Auf der Strasse sind sie unbeholfen und recht langsam, ein leichtes Opfer für heraneilende Autoreifen.
Nach gut 800 Kilometern habe ich gestern dann aber endgültig genug von Kansas. Der Wind weht günstig und nach den ersten 100 gefahrenen Kilometern entscheide ich mich, noch einmal 100 Kilometer dranzuhängen und nach Missouri zu fahren. Diese Etappe wird mit Sicherheit zu einem heissen Anwärter für eine Königsetappe: 205 Kilometer, 1041 Höhenmeter und 9:30 Stunden im Sattel. Heute werde ich es entspannter angehen lassen, ich möchte am Nachmittag den Katy Trail erreichen. Ein autofreier Weg quer durch Missouri, da läuft es zwangsläufig meistens etwas langsamer, aber das macht nichts.

Pause in Wilson, mal einfach Nichtstun. 
Neugierige Kühe, Felder, blauer Himmel, alles schön geradeaus.
Das ist Arthur - er hat es munter auf die andere Seite geschafft :-) 
Da ist sie gefallen, die 200 Kilometer Marke. 

Mittwoch, 1. Juni 2016

Kansas kommt mir irgendwie bekannt vor...

Geruch und Optik nach zu urteilen könnte Kansas ebensogut bei Bassum oder hinter Ahrem rechts ab in Richtung Wichterich liegen. Ab und zu riecht es nach Kuh, dann wieder nach Getreide. Flaches Land, Windräder und man sieht morgens schon wer abends zu Besuch kommt...
Alle Autofahrer grüssen mich, das liegt aber nicht an mir. Das ist hier tatsächlich so üblich, wie mir von mehreren Seiten bestätigt wurde.
Ohne es richtig zu merken, verliere ich beim verlassen von Colorado schon wieder eine Stunde. Und entweder war es ein Abschiedsgeschenk aus Colorado oder ein Willkommensgeschenk aus Kansas: ich hatte doch tatsächlich meinen ersten platten Reifen, nur kurz hinter der Grenze. Es war ein schleichender Platten, ich bin jetzt mal optimistisch, dass es ein Abschiedsgeschenk aus Colorado war. Es hatte mein Hinterrad getroffen. Schnellspanner gelöst, Bremse ausgehängt, Rohloff Bajonettverschluss getrennt, Hinterrad ausgebaut. Platten geflickt und Hinterrad wieder eingebaute. Dank der Rohloff Schaltung geht das einbauen genauso schnell wie das ausbauen, genial und einfach.
Ich fahre nun direkt nach Osten in Richtung Kansas City auf dem alten Highway 40. Leider ist dieser nur in den Ortschaften asphaltiert, dazwischen gibt es zur Abwechslung eine Art Piste. Bei schönem Wetter, Sonneneinstrahlung und Autoverkehr eine recht staubige Angelegenheit. Man ist gut beraten den Mund zu schliessen wenn man überholt wird oder wenn ein Auto entgegenkommt. Das Tempo ist angepasst, selbst der UPS Postbote ist hier langsam unterwegs. Spass macht das Fahren hier trotzdem, auch wenn ich nicht so flott voran komme.
Auch etwas anderes ist es, wenn ich hier - mal eben schnell - in einem Supermarkt etwas einkaufen möchte. Ich habe diverse Testläufe gemacht und stelle fest, dass ich ohne Fahrradhelm auf dem Kopf, wesentlich kürzer für die Erledigung meiner Einkäufe benötige. Behalte ich den Helm an, werde ich häufig angesprochen: "Machst du eine USA Durchquerung mir dem Rad? Ist das dein Rad da draussen? Woher kommst du und wohin fährst du?" Die Menschen hier sind neugierig und ehrlich interessiert, haben immer öfters Cowboyhüte auf dem Kopf und Sporen an den Stiefeln. Das macht auch mir Spass, scheinbar macht die viele Sonne hier gute Laune.
Und noch etwas anderes bemerke ich. Der Zusammenhalt unter der Bevölkerung scheint grösser zu sein, vielleicht liegt das an den oft anspruchsvollen Wetterbedingungen in Kansas. Zwei Gewitter habe ich hier schon mitbekommen und beim Wetter gibt es hier definitiv keine halben Sachen. Wenn es gewittert, dann bitte auch richtig und lange. Gut wenn man dieses Schauspiel dann von drinnen beobachten kann...

Vorher - 
- Nachher ;-)