Samstag, 28. Mai 2016

Chancen kommen und gehen

Ausgeschlafen starte ich heute in den Tag. Körperlich bin ich fit, mental bin ich nicht auf der Höhe. Ich fahre los, mache unnötig viele Kaffee- und Teepausen obwohl ich gar keine Pausen benötige. Das Wetter ist durchwachsen, immer wieder gibt es intensive Schauer, Regenklamotten an, Regenklamotten aus. Ein Tag zum vergessen. Selbst viele tolle Begegnungen können mich heute nicht richtig aufheitern: ich bekomme von einem ehemaligen Profiradfahrer seine isolierte Trinkflasche geschenkt, werde zu einer Tasse Tee eingeladen, erhalte als Gratis-Proviant zwei Cookies sowie von einer netten Dame ein Angebot bei ihr zu übernachten.
Doch dann passiert etwas eigenartiges.

- Rückblende -
Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich vor vier Tagen früh morgens im gemütlichen Hostel in Gunnison am Tisch sitze und Kerry eine Nachricht auf einen Zettel schreibe. Kerry ist so früh am Morgen noch nicht im Hostel und wir haben es verpasst uns am vorherigen Abend zu verabschieden. Sie hatte mich bei meiner Anreise eingecheckt und willkommen geheissen. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, zusammen gekocht und gemeinsam am Lagerfeuer gesungen. Dem handgeschriebenen Dankeschön füge ich meine Kontaktdaten bei und lege noch zehn Dollar hinzu, wir hatten abgemacht die Kosten für das Abendessen aufzuteilen. Den Zettel gebe ich einem anderen Gast, mit der Bitte die Botschaft weiterzuleiten. Dann fahre ich los.

Und heute? Ich fahre einen langgezogenen Hügel hinauf, bin nicht sonderlich schnell. Kurz nachdem es aufhört zu regnen, genau beim hundertsten Kilometer an diesem Tag, hält ein Auto neben mir. Kerry strahlt mich an. Sie ist auf dem Weg zu einem Geschäftstermin in Kentucky. "Ich kann dich mitnehmen und in Missouri rausschmeissen. Kansas sieht genauso aus wie hier, landschaftlich verpasst du sicherlich nichts."
Chancen kommen und gehen. Mein Verstand weiss, dass dieses Zusammentreffen reiner Zufall ist, nicht erklärbar und ohne kausalen Zusammenhang. Ich höre auf mein Bauchgefühl und entscheide mich, die nächsten 1000 Kilometer durch das flache, windige Colorado und Kansas mit dem Fahrrad zu fahren.
Es folgt eine längst überfällige Abschiedsumarmung und Kerry und ihr Wagen verschwinden hinter der Kuppe. "Was bin ich doch für ein Idiot. Warum bin ich nicht mitgefahren?!" - ich wünsche mir in diesem Moment sehnlichst, dass die Entfernung zwischen mir und Kerry möglichst schnell wächst.
Mein Blick schweift nach rechts in die Ferne und bleibt am Horizont an einem kleinen Regenbogen hängen. Dieser Regenbogen weicht nicht von meiner Seite bis ich mein Etappenziel in Limon erreiche, lange 25 Meilen.

Freitag, 27. Mai 2016

Drop out of the Rookies in Colorado Springs

Colorado Springs wirbt auf ihrer Website als "Proud Home Team USA", in dieser Stadt haben sowohl das Nationale Olympische Komitee der Vereinigten Staaten als auch viele weitere Sportarten ihren Hauptsitz. Ausserdem soll es eine sehr schöne Stadt sein, viel schöner als Pueblo, wo ich ja eigentlich aus den Bergen fallen wollte. Grund genug Colorado Springs einen Besuch abzustatten.
Ein weiterer Grund meine Route anzupassen ist die aufkommende Tornadosaison. Die eigentlich geplante und vorgeschlagene Radroute hätte mich mitten durch Kansas geführt, nicht viele Städte, nicht viel Betrieb und vermeintlich wenig Möglichkeiten, sich als Radfahrer vor einem Tornado in Sicherheit zu bringen. Schnell wegfahren geht leider nicht so einfach mit dem Fahrrad. Ich entscheide mich, parallel zur belebten Interstate 70, auf einem alten Highway zu fahren. Mit mehr Ortschaften und Menschen und im Ernstfall dann hoffentlich mehr Möglichkeiten die Ente, mein Rad und mich in Sicherheit zu bringen.
Bevor ich in Colorado Springs ankomme, muss ich allerdings von Gunnison erst mal über den höchsten Pass meiner Reise fahren, stolze 3447 Meter hoch. Von jetzt an fliessen die Flüsse in den Atlantik. Der Anstieg ist kein Problem und ich geniesse die 30 Kilometer lange Abfahrt - so kann es gerne weitergehen...
Nachdem ich in Gunnison viele tolle Menschen um mich hatte - inklusive gemeinsamen Abendessen kochen und Lagerfeuer - bin ich in Salida und Canon City weitestgehend alleine. Die nette Dame, welche mich in Canon City eincheckt, sieht meinen Pass und frag mich sogleich, ob ich gerne ein paar Scheiben richtiges Brot haben möchte. Nicht dieses labbrige Weissbrot, sondern richtiges Brot. Da lehne ich nicht ab.
Am Morgen frage ich eben diese Dame wie das Streckenprofil nach Colorado Springs aussieht, geht es viel auf und ab? "Nein, nein, alles flach." Alles flach entpuppt sich als 70 Kilometer und 850 Meter bergauf. Hätte die Streckenbeschreibung "leicht hügelig" oder "wellig" gelautet, ich hätte es durchgehen lassen. Aber diese Etappe als "flach" zu bezeichnen ist hart für mein Gemüt. Wahrscheinlich ist das für die in Colorado lebenden Menschen nämlich wirklich flach...
Am kommenden Montag ist Memorial Day in den USA, verlängertes Wochenende also. Das bekomme auch ich zu spüren, die Strassen sind voller Autos und die Hotels gut gefüllt. Ich ergattere dennoch in einer kleinen Pension direkt in der Innenstadt von Colorado Springs einen tollen Platz zum übernachten. Ein schickes altes Haus direkt an einem kleinen Park gelegen, gemütlich eingerichtet, viel Holz, antike Möbel. Erst als ich mein Zimmer beziehe bemerke ich, dass ich die einzige Suite im Hotel ergatterte. Mit Kamin, Whirlpool, Balkon und richtig viel Platz. Einen Abend im Ohrensessel am Kamin und eine Nacht im Antikholzbett zum geniessen also, bevor es morgen auf die erste windige und flache Etappe geht. Wenn möglich möchte ich die kommenden Tage Gas geben und zügig durch Kansas radeln.

Die Herren fingen an diesem Tag frischen Fisch, die Damen bereiteten den Salat :-).
Monarch Pass - ganz schön hoch -  
Es folgt eine lange gemütliche Abfahrt. Einfach genial!
Skulpturen auf dem Trainingszentrum der US Amerikaner. 
Olympic Spirit ist in Colorado Springs an vielen Ecken spürbar.

Montag, 23. Mai 2016

Übernachtungsgegensätze in Colorado

Die vergangene Nacht verbringe ich in Sapinero. Ich mietete mir für insgesamt 38 Dollar eine kleine Hütte auf einem Campingplatz auf dem ich leider nicht zelten kann. Eigentlich ist dieser Campingplatz wunderschön gelegen, direkt am See. Rundherum nichts. In dieser Nacht werden dort nur sechs Menschen schlafen, die beiden Besitzer, drei weitere Dauergäste und ich.
Die Hütte ist eine alte Holzhütte und wird als "rustic cabin" angepriesen. Die Türe schliesst nicht richtig, es ist ein wenig zugig. Der Fussboden besteht aus Teppich. Dieser ist so dreckig, dass es nicht weiter auffallen würde wenn die Rohloff Schaltung an meinem Rad, aufgrund der grossen Höhe, Öl verlieren würde. Im Waschbecken der kleinen Kochnische liegt eine dicke tote Fliege, daneben ein paar Haare. Der Abfluss ist ein schwarzes Loch, aus dem es bereits auf einen Meter Entfernung stinkt. Im Regal daneben ein paar Küchenutensilien, überdeckt mit Spinnweben, umringt von dreckigen alten Lappen und Spültüchern. Immerhin, die Heizung funktioniert. Eine kleine Gasheizung mit Flamme. Hoffentlich brennt die Hütte nicht ab, wäre allerdings nicht schade drum. Das Bett steht in der anderen Hälfte der Hütte, irgendwie schräg. Der Boden hier scheint nicht ganz so eben zu sein. Die Tapete an der rechten Seite des Bettes zeigt lauter nackte Frauen, gezeichnet in schwarz weiss, das soll wohl eine Art Kunsttapete sein. Das Bettlaken und das Kopfkissen ist nicht ganz so ansprechend und ich rolle meinen Schlafsack aus. Ich bin eigentlich nicht zimperlich - aber das war selbst für mich zu viel. Die Toilette und Dusche liegt 50 Meter Luftlinie entfernt in einem extra Häuschen. Der Boden besteht aus Teppich - kein Witz - und der Duschvorhang schliesst leider nicht gut. Der Teppich wird nass - der Optik nach zu urteilen passiert das öfters. Die Toilette war - also die Spülung funktionierte einwandfrei und Toilettenpapier war auch vorhanden. Die Handtücher welche in der Hütte bereit lagen, machten eine undefinierten Eindruck auf mich: sauber oder nicht sauber, das war hier die Frage. Sie waren zwar gefaltet, aber nach Aussehen und Geruch zu urteilen waren sie nicht ganz frisch.
Immerhin sind meine Gastgeber freundlich und auch ein weiterer Gast ist um mein Wohl besorgt und lädt mich zum BBQ ein. Es gibt hervorragende Hähnchenschenkel, frischen Salat und Kartoffeln. Dazu selbst gemachten Eistee. Steve lebt im Sommer hier in seinem Wohnwagen, im Winter im nahegelegenen Skiresort. Er lässt es sich nehmen, mir noch ein bisschen der Gegend zu zeigen und wir unternehmen mit seinem umgebauten Auto eine kleine Tour. Trotzdem bin ich froh, als ich mich heute früh aufs Rad setze, ohne Frühstück. Das spiegelt wieder, wie wohl ich mich dort gefühlt haben muss...
Ich frühstücke im etwa 50 Kilometer entfernten Gunnison und möchte eigentlich noch ein paar Kilometer weiter fahren. Ich entschliesse mich allerdings, das einzige Hostel im Ort für meine kommende Nacht zu buchen. Vielleicht schaffe ich es ja hier mein Hosteltrauma - das ich aufgrund einer schlechten Erfahrung in Schweden machte, hat nichts mit dem Horrorfilm zu tun - abzulegen? Ich checke in ein Mädelszimmer ein, für insgesamt 28 Dollar die Nacht. Mein Schlafplatz für heute Nacht ist die erste Etage im Hochbett. Ich klettere etwas unbeholfen hinauf und fühle mich sofort wohl: herrlich, ein frisch bezogenes Bett! Meine Zimmerkolleginnen und die Gastgeber sind sehr nett. Als Gast nutze ich das gesamte Haus. Das Wohnzimmer ist herzlich und liebevoll eingerichtet, es gibt viele Möglichkeiten es sich bequem zu machen, einen Kamin, einen grossen Esstisch. Alles picobello sauber. Die Küche ist eine Gemeinschaftsküche, komplett ausgestattet. Auch die beiden Bäder sind fantastisch, hier hat sich jemand bei der Einrichtung Gedanken gemacht. Handtücher liegen bereit und diesmal sind sie definitiv sauber. Im Garten erwarten mich mehrere Hängematten, eine Hollywoodschaukel und ein BBQ Grill, frisches Gras mit Löwenzahn und weitere Möglichkeiten auszuspannen. Es ist alles sehr bunt eingerichtet und die Wände hängen voll mit Bildern, Fotos und weiteren Sachen die kein Mensch wirklich braucht, die aber genau hier her zu gehören scheinen. Das Hostel liegt nur drei Blogs vom Stadtzentrum entfernt, hier stimmt einfach alles.

Colorado, viel grün auch auf über 2500 Meter.
Das ist Steve und (m)ein leckeres Abendessen. 
Rustikale Hütte, gemütlich ist anders. 
Gemütlichkeit in Gunnison. 

Sonntag, 22. Mai 2016

Think positiv: es ist der Gegenwind, der einen Drachen steigen lässt!

Von Moab geht es - nach einem Verlängerungstag - weiter Richtung Norden, direkt am Colorado River entlang. Wunderbar und dann auch noch Rückenwind! Die über 150 Kilometer bis nach Fruita spule ich ohne grosse Mühen in einem flotten Tempo ab. Ich überquere die Grenze zu Colorado. Langsam komme ich immer weiter nach Osten. Angekommen am Campingplatz baue ich mein Zelt auf und werde von Pat und Dale aus dem benachbartem Wohnwagen zum Abendessen eingeladen. Wie sich später herausstellte, wollten mich auch Irene und Melody, meine andere Nachbarn, zum Abendessen einladen. Aber Pat und Dale waren schneller.
Der gleiche Wind welcher mich am Vortag noch als Rückenwind angeschoben hat, ändert sich auf der Etappe nach Montrose in Gegenwind, denn es geht wieder Richtung Süden. Ohne grosse Orientierungsprobleme radle ich durch Grand Junction, immerhin eine Stadt mit 60.000 Einwohnern. Ich mache nach etwa 30 Kilometern eine Pause und mir Gedanken über meine nächste Nacht.
Und was macht man, wenn alles super läuft? Man könnte eventuell dazu neigen ein wenig übermütig zu werden...
Ohne zu wissen wie das Höhenprofil aussieht und mit einer vagen Vorstellung, das es bis Montrose etwa 90 Kilometer sein müssten, buche ich mir im Rahmen einer geistigen Umnachtung in eben dieser Stadt ein schönes Hotelzimmer. Um den Gegenwind, welcher mich auf dieser Strecke erwartet, weiss ich ja Bescheid. Aber was sind schon 90 Kilometer bei dem bisschen Gegenwind?
Frohen Mutes fahre ich los und verfluche meinen Optimismus das erste mal, als es immer weiter bergauf geht. Was habe ich mir auch dabei gedacht? Ich fahre ja schliesslich wieder in die Berge hinein. Als es dann wieder bergab geht, bläst mir nicht nur der Wind entgegen, er hat sich mit Staub und kleinen Steinchen gegen mich verschworen und ich erhalte ein gratis Ganzkörperpeeling. Mit durchschnittlich 13 km/h werde ich dann schon irgendwann ankommen, mich erwartet schliesslich eine 24 Stunden Rezeption. Nur nicht unterkriegen lassen - aber meine Komfortzone habe ich schon etwas länger verlassen. Ich muss zugeben, dass ich gestern laut und teilweise ausfallend den Wind verfluchte. Oder verfluchte ich vielleicht eher mich, meine Naivität, meine Leichtfertigkeit?
Nach sieben Stunden Radfahren in einem 35 Grad warmen Föhnluftzug fühle ich mich ausgetrocknet, heiss und salzig. Vielleicht fühlt sich so auch Beef Jerky (Trockenfleisch - eignet sich übrigens hervorragend als Proviant)? Offensichtlich hat auch mein Kopf zu viel Sonne und Hitze abbekommen, langsam sollte ich besser ein kühles Hotelzimmer erreichen.
Um acht Uhr Abends rolle ich dann müde und erschöpft auf den Parkplatz vom Hotel, checke ein, hüpfe unter die Dusche und gehe in das benachbarte Steakhouse. Die nette Bedienung stellt mir, nach einem kleinen Vorspeisensalat, ein Steak vor die Nase und scheinbar muss ich sehr glücklich ausgesehen haben, denn sie grinst mich mit einem breiten Lächeln an und hat sichtlich Spass.

Es rollt und rollt!
Hello Colorado, State Nr. 4 :-) 
Wind und Staub - sehr schön. 
Leckeres Steak, dazu Pommes aus süssen Kartoffeln mit Zimt-Apfel Dip. Unsere Welt ist wieder in Ordnung ;-).

Mittwoch, 18. Mai 2016

The City of Moab und ein dreibeiniger Hund mit viel Lebensfreude

In Hanksville angekommen muss ich mich entscheiden: entweder rechts rum Richtung Lake Powell oder links rum Richtung Moab. Ich folge dem Wind und mache mich links rum, Richtung Norden, auf den Weg.
Ich hatte das Gefühl von Rückenwind schon komplett vergessen. Ich werde geschoben und rase ein kurzes Stück auf der Interstate mit den Autos um die Wette - gefühlt jedenfalls. In Green River lege ich eine Nacht Pause ein, immer wieder begleiten mich kurze Schauer. So auch in der Nacht und der Zeltplatz hat sich zu einem kleinen Schlammfeld verwandelt. Ich packe das Zelt in einer kurzen Regenpause ein, schön nass und dreckig. Macht nix. Hände waschen, Regenklamotten an und auf geht's.
Etwa 20 Kilometer vor Moab mache ich am Flugplatz von Moab eine kleine Pause. Der Highway stresst mich ein bisschen, denn die Strasse ist very busy - viel befahren. Viele Menschen wollen nach Moab. Ich setze mich in die Sonne und relaxe. Da kommt aus dem Terminalgebäude - welches aus einem grossen Raum mit ein paar Stühlen, zwei Schaltern, einem Getränke- sowie einem Snackautomaten besteht - eine nette Dame auf mich zu und heisst mich in Moab herzlich willkommen. Wir quatschen ein bisschen, ich bekomme ein paar Tipps mit auf den Weg wo ich unbedingt hinsollte und als Andenken an den Flugplatz einen kleinen Aufkleber, einen Stift sowie Lippenbalsam.
Kurz nach dem Flugplatz beginnen wunderbare Radwege, zweispurig, auf Flüsterasphalt. Und das Beste: es geht bergab bis Moab. Angekommen in Moab kann ich verstehen, warum hier so viele Menschen hinwollen. Es ist eine geschäftige kleine Stadt, gewachsen in einer tollen Landschaft, geradezu umzingelt von Nationalparks. Lauter gut gelaunte Menschen, auch welche hier arbeiten und nicht in Ferien sind. Hier werde ich einen Ruhetag einschieben und mich ein bisschen treiben lassen.
Der Zeltplatz liegt etwas ausserhalb der Stadt. Mich empfängt ein netter Herr und ein schwarzer Hund. Der Hund heisst Tri, denn sie hat drei Beine. Sie sei beim Golfspielen aus dem Golfcaddy gefallen - aha, auch die Menschen in Utah haben einen seltsamen Humor - aber das stimmte nicht ganz: Tri ist von einem Auto angefahren worden, kommt mit drei Beinen aber wunderbar zurecht. Sie sprüht förmlich vor Lebensfreude, begrüsst alle Besucher und wedelt unaufhörlich mit dem Schwanz.
Es gibt einen schönen Platz für mein Zelt, neu gebaute Sanitäranlagen, eine heimelige Gemeinschaftsküche mit Aufenthaltsraum sowie am Abend noch ein Lagerfeuer.
Da es nicht nur Würstchen sondern auch Marshmallows meist nur in Grosspackungen zu kaufen gibt, werde ich von einem jungen Pärchen schon fast dazu genötigt sie zu unterstützen die Packung zu leeren... An diesem Abend probiere ich mein erstes S'More. In Amerika vor allem bei Kindern sehr beliebt - da muss man erst mal drauf kommen! Auf die eine Hälfte eines Kräckers wird ein Stück Schokolade gelegt, darauf der fast flüssige Marshmallow und dann als Deckel die andere Hälfte des Kräckers obendrauf. Ein bisschen zusammendrücken, ein bisschen warten bis die Schokolade angeschmolzen ist. Guten Appetit :-).

Da lacht mich heute zur Abwechslung mal ein Felsen an :-)
Wenn das Wetter grau ist, bin ich eben bunt...
Tolle Radwege vor Moab.
Pausentag in Moab, Rad und Zelt sind gut getarnt. 

Sonntag, 15. Mai 2016

Ein ganz besonderer Freitag der 13.

Ich werde schon noch den Dreh herausbekommen. Aber noch habe ich es nicht geschafft. Mein ultraleichter Titan-Kochtopf samt restlichen Grillwüstchen sowie meinen Essensvorräten, welche ich auf dem Tisch neben meinem Zelt lagerte, sind über Nacht verschwunden. Es gibt also kein deftiges Frühstück und ich entschliesse mich das Frühstück des Campingplatzes und Motels in Anspruch zu nehmen. Als ich mich nach dem Preis erkundige antwortet der Besitzer: "du bist eingeladen, ich mag dich".
Gestärkt steige ich aufs Rad und rolle los. Eine kurze Etappe bis nach Escalante zum Zeltplatz. Wunderschön, über einen kleinen Pass. Auf dem Pass lerne ich Priscilla kennen. Wir finden heraus, dass wir beide die Nacht auf dem gleichen Campingplatz verbringen wollen. Sie ist bereits eingecheckt und ich hoffe auf einen Platz für mein Zelt. Sie lädt mich für den Abend spontan zum Essen ein, um 20 Uhr sind wir verabredet. Und wie finde ich Priscilla? Auf diesem Campingplatz gibt es nur ein Wohnmobil aus Maine. Einfach klopfen. Ich sause eine lange 20 Kilometer Abfahrt bei angenehmen Temperaturen und toller Landschaft herunter und möchte bereits kurz nach Mittag auf dem von mir herausgesuchten Campingplatz einchecken. Nur leider ist dieser bereits ausgebucht. Die Dame an der Rezeption ist sehr nett und organisiert mir einen Platz auf dem benachbarten Campingplatz, etwa 200 Meter weiter die Strasse herunter. Ich bedanke mich, mache mich auf den Weg und checke ein. "Du machst eine Amerika Durchquerung mit dem Rad? Dann kostest dich die Nacht nur 5 Dollar. Wir wollen Menschen wie dich damit unterstützen." Ein wunderbarer kleiner Platz, mit neuen Sanitäranlagen, einem tollen knuffigen Café und Shop. Auf Outdoortouristen ausgelegt, dass merkt man auch am Publikum. Ich kaufe in dem Shop einen neuen Kochtopf, in blau mit weissen Punkten - viel stylischer als mein alter Topf - und trinke eine Eis-Chai-Latte.
An diesem Abend stehe ich überpünktlich um 20 Uhr vor Priscillas Wohnmobil und werde hereingebeten. Ich nehme auf dem Sofa Platz und sogleich springt mir ein kleiner Hund auf den Schoss und macht es sich bequem. Der kleine Hund mag mich und ich mag ihn. Zum Abendessen gibt es leckere Burger mit Bacon und Bluecheese. Priscilla ist über 80 Jahre alt und reist seit November mit ihrem Wohnmobil und angehängtem Auto durch die USA. Sie erzählt mir aus ihrem Leben, ich bin fasziniert und höre gespannt zu. Diese Frau ist einfach klasse! Als Nachtisch gibt es noch ein kleines Eis im Wohnmobil, dann fährt Priscilla mich zu meinem Zeltplatz zurück. Das war mein ganz persönlicher Freitag der 13., dieser Tag wurde seinem Ruf nicht gerecht.
Der nächste Tag startet mit einem guten Frühstück. Insgesamt strampele ich etwas über 100 Kilometer und 2000 Höhenmeter ab. Ich mag es den Berg hoch zu radeln, denn diese Höhenmeter geht es auch wieder bergab. Anders verhält sich das mit dem Gegenwind, da weiss man nie was als nächstes passiert. Es geht über 9600 Fuss hinauf, etwas über 3000 Meter. Höhe und Kälte machen mir keine Probleme mehr, ich habe mich daran gewöhnt. Auch die tolle Landschaft entschädigt und so habe ich beim langsamen Bergauffahren mehr Zeit zum beobachten. Nette Busfahrer bleiben hinter mir, bis sie gefahrlos überholen können.
Ich fahre seit einigen Tagen auf dem Highway 12 und bekomme das Gefühl nicht los, dass sich hier hin viele gut betuchte alternative Aussteiger verirrt haben. Alle 50 Kilometer ein kleines Café, mit Kunst, tibetischen Gebetsflaggen und aussergewöhnlichen Kreationen auf der Getränke- und Speisekarte.
Wenn ich ein Café oder Restaurant besuche, wird mir seit mehreren Tagen durchweg qualitativ hochwertiges und äusserst geschmackvolles Essen serviert. Dazu immer ein klasse Service. Auf der Speisekarte stehen bei weitem nicht mehr nur Burger und Pancakes. Es gibt Bagels mit Pesto, BBQ Salat, warme Zimtschnecken, viele selbst gebackene süsse Sachen, knusprige Pizza, Fischkreationen mit Gemüse und Quiche mit Spinat - natürlich nicht alles probiert...
Ich fahre seit Tagen durch diverse wunderbare Nationalparks. Die Landschaft verändert sich langsam aber stetig, es ist spannend dies zu beobachten. In den Canyons direkt am Fluss ist alles grün, wie eine Oase. Viele Vögel, bunte Blumen, dazu ein frischer, nach Wasser und Blumen duftender Geruch. Auf dem Rand vom Canyon ist es windig und karg, es gibt nur wenige Pflanzen. Ich sehe sämtliche Steinformationen, von rauen spitzen Steinböcken bis zu ausgewaschenen sanft wirkenden Felsens - in  sämtlichen rot Nuancen bis zu kalkweissen Riesen, welche mitten im Wald stehen und nicht wirklich dort hingehören zu scheinen.

Mein persönliches Grillabenteuer - schmeckte 1a ;-).
Das ist der nette Busfahrer, er überholte mich an diesem Tag gleich drei Mal.
Es folgt eine geniale Abfahrt! 
Eine wunderschöne Panoramastrasse, wenn man erst mal oben ist...
Passt.
Hier gibt es noch ganz viel Platz für nette Entenkollegen und Froschkönige ;-)

Donnerstag, 12. Mai 2016

Scenic Byway - Radfahren in malerischer Landschaft

Mein Tag in Cedar City startet nicht optimal. Ich freute mich schon beim einschlafen auf getoastete Bagels mit Frischkäse und Orangenmarmelade. Leider waren die Bagels schimmelig. Welch herbe Enttäuschung! Toastbrot ging zwar auch, schmeckt aber bei weitem nicht so toll wie Bagels...
On the road again! Ich werde nicht mehr so oft durch hupende Autos angefeuert. Man ist dazu übergegangen, entweder die Seitenscheiben oder das Schiebedach zu öffnen um mir den Daumen entgegenzustrecken. Oder man überholt mich, parkt am Seitenrand und wartet bis ich herangekrochen komme um mir eine Wasserflasche anzureichen. Einfach so, genial!
Aus der Überquerung der zweithöchsten befestigten Strasse der USA wird leider nichts. Wie ich befürchtete, war die Strasse noch immer gesperrt. Ich schaffe es bis auf 3166 Meter und muss einen 30 Kilometer weiteren Weg in Angriff nehmen.
In einem kleinen Ort mache ich eine Mittagspause, es gibt tatsächlich Zimtschnecken. Diese werden warm serviert und als ob in diesem süssen Gepäck nicht genügend Butter verarbeitet wurde, gibt es als Topping eine kleine Butterkugel oben drauf. Ich werde von einem älteren Ehepaar gefragt wo ich herkomme. Die Serviertochter antwortet schneller als ich... "Sie kommt aus Cedar City. Als ich heute morgen in die Stadt gefahren bin habe ich sie den Berg hoch fahren gesehen und als ich zurück kam fuhr sie immer noch." Ich antworte das dies sehr gut möglich war, denn ich brauchte für den Anstieg ziemlich genau 4 Stunden.
An diesem kleinen Ort, eigentlich nur eine Ansammlung von Blockhäusern, lerne ich tatsächlich einen anderen Reiseradfahrer kennen. Ein kurzes Stück fahren wir zusammen, dann biegt er rechts Richtung Zion Nationalpark und ich links Richtung Bryce Canyon ab.
Es ist mittlerweile schon relativ spät und ich gebe Gas, um in Panguitch noch vor 19 Uhr einzuchecken. Ich werde bereits erwartet und die Dame, welche ich am Vorabend am Telefon hatte, ist tatsächlich so nett wie sie sich angehört hat. Ich fühle mich direkt wohl, hier ist alles mit viel liebe zum Detail eingerichtet. In der Damentoilette gibt es zum Beispiel ein Körbchen mit sämtlichen Hygieneartikeln, falls man mal etwas vergessen haben sollte. Oder das "Sockenkarussell" in der Laundry. Das Gras auf dem ich mein Zelt aufstelle ist grün und saftig. Direkt daneben eine kleine Feuerstelle, Feuerholz gibt es umsonst dazu.
Ein älterer Herr ist gerade dabei Feuer zu machen und ich frage ihn, ob ich das Feuer gleich eventuell für ein paar Würstchen mitbenutzen darf. Natürlich darf ich, also schnell noch die Würstchen besorgen... Von den amerikanischen Grosspackungen ergattere ich eine kleine Packung mit 8 Hotdog Würstchen - auch für Grillen geeignet - sowie einen Salat. Damit ich die Würstchen auch grillen kann, schnitzt mir der ältere Herr einen kleinen Spiess, er hat sichtlich Spass daran. Jetzt kann es losgehen! In der Zwischenzeit haben sich auch seine Frau und Max, ein kleiner Hund, um das Feuer gesellt. Terrell und Diane kommen aus Kanada und leben seit einem Jahr in ihrem Wohnwagen. Dieser Wohnwagen ist etwa doppelt so gross wie die Wohnwagen die man normalerweise in Europa zu sehen bekommt, zieht noch ein Auto hinter sich her, auf dem zwei Fahrräder montiert sind. Sie erzählen mir, dass viele Leute sie für verrückt halten, da sie im Wohnwagen leben und herumreisen. Solange sie können und möchten, wollen sie so schöne Orte erkunden. Wir sitzen bis es dunkel wird am Feuer und erzählen.
Die Nacht ist kalt und es muss unter null Grad gewesen sein. Die Banane, welche ich ausserhalb meines Zeltes deponiert habe, ist zur Hälfte gefroren. Auch ohne Banane mache ich mir ein leckeres Frühstück, Diane bring mir einen Kaffee rüber und nachdem ich diesen ausgetrunken habe noch eine heisse Schokolade. Das hatte sie mir am Vorabend versprochen.
Die Route führt durch tolle Landschaften, Scenic Byway heissen diese Strecken, das gefällt mir sehr gut. Teilweise auf eigenen Radwegen im Bryce Canyon. So kann ich in Ruhe umherschauen. Ich verrenke mir dabei allerdings fast den Hals, denn es gibt so viel zu sehen! Ich bin froh wieder auf dem Rad zu sitzen.
Heute mache ich eine richtige Sightseeingtour, mit vielen Fotostops. Nach 50 Kilometern sehe ich einen knuffigen Zeltplatz und checke ein. Nachher gibt es noch live Musik in der Bar nebenan. Vorher werde ich mir aber mein Abendessen zubereiten. Ich habe gefallen am Grillen gefunden, den Grillplatz abgecheckt, Feuerholz zusammengesucht und entsprechend eingekauft. Kann losgehen ;-).

Da war ich fast oben, vier Stunden Anstieg liefen erstaunlich gut. 
Über 3000m gab es noch ein wenig Schnee.
Ein typischer Scenic Byway.
Das "Sockenkarussell" :-).
Der Bryce Canyon ist zum Greifen nahe!

Dienstag, 10. Mai 2016

Das abenteuerliche an meiner Radtour? Spontanität und Bauchgefühl!

Der Tag auf dem Rad nach Cedar City hat mich aus der Bahn geworfen. Eine relativ lange Etappe, viel Wind, wenig zu sehen. Was mich wirklich belastet sind die vielen leblosen Tiere am Strassenrand und der typische Geruch, der von verwesenden Körpern ausgeht. Ich habe an diesem Tag mehr tote als lebendige Tiere gesehen. Kleine Tiere wie Kaninchen, Schlangen und Vögel sind meist in Fetzen zerrissen und liegen über die Fahrbahn zerstreut - hier eine Pfote, da ein paar Öhrchen. Grosse Tiere liegen am Strassenrand und verwesen vor sich hin, meistens Hirsche, Kühe oder Pferde. Es riecht bereits etwa 50 Meter bevor ich den Kadaver sehe. Aasvögel kreisen über dem toten Körper. Mir läuft jedes Mal ein Schauer über den Rücken. Ich trete fester in die Pedale, damit es schnell vorbei ist. Die letzten drei toten Tiere, welche ich an diesem Tag sehe, sind Kühe. Sie liegen direkt am Strassenrand. Aufgebläht wie Luftballons, die Beine wie Stecknadeln vom Körper abstehend. Ich hoffe inständig, dass die Körper nicht platzen während ich an ihnen vorbeifahre. An diesem Tag ist mir das Radfahren zuwider.
Ich komme in Cedar City an, fühle mich ausgebrannt. Ich schiebe das Rad in mein Zimmer, lege mich verschwitzt und dreckig auf das Bett. Ich bin aufgewühlt und denke nach. Ich entschliesse mich das Rad für ein paar Tage nicht anzufassen und möchte eine Bustour zum Grand Canyon unternehmen.
Aber leider habe ich keine ansprechenden Angebote gefunden und so mietete ich kurzerhand ein Auto. Dann fahre ich eben nicht nur zum Grand Canyon, sondern einfach einmal drum herum. Choiceline ist angesagt und ich suche mir mein Auto für die kommenden Tage aus. Schlichte, elegante Form, ausreichend Pferdestärken, ansprechende Soundanlage, knappe 2000 Meilen gefahren - ich bin glücklich. Gross genug für mich, die Ente, mein Rad und meine Klamotten. Sonnenbrille auf, Klimaanlage an, Tempomat rein und wahlweise Pink Floyd, U2 oder Rod Steward auf volle Lautstärke.
Es geht Richtung Südosten, vorbei am Marble Canyon zum Monument Valley - eine kleine zusätzliche Schlaufe - zum Südrand des Grand Canyon, über Las Vegas zum Zion Nationalpark und zurück nach Cedar City. Ein entspanntes dahingleiten mit 65 Meilen pro Stunde. Die Landschaft verändert sich schnell. Ich sehe viel, versuche alle Eindrücke in mich aufzusaugen. Es gelingt mir nicht. Zu schnell ist das Tempo, zu gewaltig und eindrücklich das Gesehene.
Gewaltige Blöcke aus Gestein im Monument Valley sind in rötliche Farben gehüllt, umsäumt von vielen kleinen Sträuchern welche die Landschaft aussehen lassen wie die Oberfläche einer Erdbeere. Nur einen Steinwurf entfernt der grösste Canyon der USA, der Grand Canyon. Gewaltig, nicht auf Fotos zu erfassen und voller Farben. Ein Condor - welcher eine Flügelspannweite von bis zu drei Metern erreicht - fliegt über den Canyon. Ich muss ihn genau verfolgen, sonst verschwindet er einfach. So gewaltig ist dieser Canyon, bis zu 1600 Metern tief. Andächtig sitze ich am Rad des Canyons und schaue einfach nur runter, ich könnte stundenlang so dasitzen.
Aber an diesem Tag habe ich ja noch ein weiteres Ziel - Las Vegas! Vorher noch ein kurzer Abstecher zum Hoover Damm, denn ich habe noch genug Zeit und werde mich in Las Vegas sicherlich schnell zurecht finden. Dort kann man sich ja nicht verfahren, es gibt schliesslich nur eine Strasse, ach ja?
Mein Hotel liegt in Downtown, ich verfahre mich selbstverständlich, finde mich aber schnell zurecht und auch das Hotel. Ich parke vor der Rezeption und steige aus. Ein junger Mann kommt auf mich zu, er erwartet irgendwas. Ich weiss aber nicht was und erkundige mich, ob ich hier zum Einchecken richtig sei. Ja, das bin ich. Also rein ins Hotel, durch die Spielhalle zum Check in. Überall Musik, Lichter, Menschen. Ich checke ein und erkundige mich wo ich parken kann. Valet Parking ist angesagt. Jetzt weiss ich auch, was der junge Mann von mir wollte... Ich gebe ihm meine Autoschlüssel, erhalte einen kleinen Zettel. Das wars. Ich erkunde mein Zimmer, das Hotel, das Casino und komme mir schon fast ein bisschen blöd vor, als ich nach etwa 30 Minuten meinen Wagen wiederhaben möchte. Aber alles kein Problem.
Auf geht's zum Las Vegas Strip, vorbei am Stratosphere, Circus Circus, Palazzo, Venetian, Mirage, Caesars Palace, Bellagio, Cosmopolitan, Excalibur und wie die Hotels noch so heissen, eins neben dem anderen und kitschiger als das andere. Ich parke beim Monte Carlo und gehe zu Fuss bis zum Bellagio. Schaue mir die Springbrunnenshow mit gefühlt tausend anderen Menschen zusammen an. Ich soll unbedingt auch ins Hotel rein gehen und die Blumen bewundern.
Ich weiss nicht so richtig was ich von Las Vegas halten soll. Begeistert vom Flair dieser Stadt, irritiert mich genau das was diesen Flair ausmacht: aufdringliche Lichter, Gerüche und ständige Musikbeschallung aus sämtlichen Ecken. Die Menschenmassen lassen mich rast- und ruhelos werden. Ich verweile nirgends länger als ein paar Minuten und bin froh, als meine Autotür schliesst. Zurück im Hotel starte ich auf direktem Weg ins Zimmer durch, es ist mittlerweile Mitternacht und ich bin müde vom langen Tag. Auch in der Nacht gibt es eine ständige Geräuschkulisse, von draussen und aus den Nachbarzimmern. Ich schlafe dennoch gut, denn die Ohropax bleiben bis zum Aufstehen in meinen Ohren.
Den heutigen Tag starte ich gemütlich und cruise langsam Richtung Norden, vorbei an einer Geisterstadt, zum Zion Nationalpark. Viele Touristen sind unterwegs, die Parkplätze überfüllt. Ich bin gegen Mittag bereits zu spät, esse eine Kleinigkeit und werde den Park heute nicht betreten. Ich erfahre von einem Ranger, dass man im Zion Nationalpark von unten auf die Landschaft schaut, im Bryce Canyon von oben. Den Bryce Canyon werde ich in den kommenden Tagen mit dem Fahrrad erkunden.
Ab morgen geht es wieder aufs Rad. Ich habe mir fest vorgenommen zu zelten, bin auch bereits unter Vorbehalt angemeldet. Die Dame am Telefon ist sehr freundlich, wünscht mir gute Beine und eine gute Fahrt. Ich freue mich schon sie kennenzulernen. Aber zuerst steht ein hartes Stück Arbeit auf dem Programm. Es geht über die zweithöchste befestigte Strasse der USA, auf 3239 Meter über Meeresspiegel.
Oft bin ich gefragt worden, warum ich nicht direkt nach Osten gefahren sei - ich müsste doch eigentlich in Salt Lake City sein, das wäre mehr oder weniger der direkte Weg. Ich folge dem Western Express, einem nationalen Fernradweg. Ab jetzt führt mich dieser Weg auch ziemlich direkt nach Osten, an Dolores vorbei nach Pueblo. Dort werde ich aus den Rockies fallen - so nennen es die Amerikaner: "you drop out of the Rookies".

Auf diesem Beifahrersitz ist auch die Ente happy.
Monument Valley - grandiose Farben!
Grand Canyon - einfach gewaltig!
Am Hoover Damm ist es etwas windig ;-). 
Las Vegas - bunt und laut!

Donnerstag, 5. Mai 2016

Hello Utah - viel Wind und eine Stunde weniger

Drei anstrengende Tage liegen hinter mir. Dabei fing alles sehr verheissungsvoll an: auf der Etappe von Eureka nach Ely überquerte ich unter anderem auch den Pancake Summit. Wo allerdings nun die Pancakes abgeblieben sind weiss ich nicht.
Bereits in Eureka fällt mein Blick sorgenvoll auf den Wetterbericht der nächsten Tage, speziell auf die Windverhältnisse. Normalerweise bläst der Wind aus westlicher Richtung. Dies ist auch der Grund, warum für eine Transamerikatour die Fahrtrichtung West nach Ost empfohlen wird.
Da ich dem Wind zumindest partiell entkommen möchte, starten die vergangenen Tage bereits um 5:30 Uhr im Sattel. Dann freue ich mich auf den Sonnenaufgang alleine auf der Strasse und auf den Moment an dem ich anhalte, um mich meiner langen Bekleidung zu entledigen.
Und dann geht die Challenge los und der Wind setzt langsam aber stetig ein. Heute haut es mich fast vom Sattel, ich entwickele richtige Hassgefühle. Die Windstärke lag auf der heutigen Etappe nach Milford bei 25-35 mp/h, in Böen bei 40-50 mp/h. Das entspricht nach der Beaufortskala einer Windstärke von 6-7, in Böen 8-9. Um noch deutlicher zu werden radelte ich heute bei stärkerem bis steiferem Wind und in Böen stürmischem Wind bis Sturm, aus Richtung Süd/Ost kommend, meine Fahrtrichtung. Ich nutze teilweise die Hälfte der Fahrbahn, bergab muss ich treten. Und das ganze 135 Kilometer? Ich könnte kotzen.
Aber es gab auch die vergangenen drei Tage schöne Momente, die mich den Wind vergessen lassen.
Zum Beispiel die Übernachtung in Baker, einem 68 Einwohner Nest mitten im nirgendwo. Eigentlich gehe ich in die kleine Bar - die auch als Restaurant, Supermarkt, Lobby und Aufenthaltsraum dient - um mein Zimmer zu bezahlen. Ich möchte ja schliesslich am nächsten Tag früh starten. Ich komme in die Bar und sogleich sind acht Augenpaare auf mich gerichtet, denn als ich die Tür mit Schwung öffne kommt ebendiese an die davor hängende Leinwand, welche zu wackeln beginnt. Auf dieser Leinwand wird soeben ein spanischer Film mit englischem Untertitel gegeben. Mein Gastgeber verfolgt den Film so interessiert, dass ich ihn nicht stören möchte. Ich setze mich neben ihn und versuche die Handlung des Films zu verstehen. Das kann ja nicht ewig gehen, ich ergebe mich meinem Schicksal. Nach und nach verlassen die anderen Gäste das Lokal, zum Schluss sitzen nur noch mein Gastgeber und ich vor der Leinwand. Allmählich fesselt mich der Film, leider gibt es kein Happy End. Beim Abspann fragt mich mein Gastgeber dann, ob mir der Film gefallen habe. Er selbst sehe ihn nun zum zwanzigsten Mal und er ist immer wieder aufs neue begeistert. Hätte ich das gewusst, ich hätte keine Probleme gehabt ihn früher nach der Bezahlung des Zimmer zu fragen. Aber dann hätte ich einen gutes Film verpasst.
Oder einen anderen Moment, der vielleicht nicht unbedingt als schön zu bezeichnen ist. Mein Weg führt mich durch das Tal mit dem Namen "Snake Valley" vorbei am "Rattlesnake Knoll". Also durch das Schlangental, vorbei am Klapperschlangenhügelchen. Ich denke mir nichts dabei. Was sagen schon Namen aus? Doch dann merke ich ziemlich schnell: tatsächlich liegen unmittelbar am Strassenrand immer mal wieder ein paar Schlangen. Schön nebeneinander, den Kopf etwas gehoben. Wie Frauen beim Sonnenbaden schiesst mir ein Bild durch den Kopf. An diesem Tag parke ich mein Rad nicht mehr auf dem Seitenstreifen. Auch lasse ich respektvollen Abstand zum Seitenstreifen. Ich habe zwar keine Ahnung ob es Klapperschlangen sind, aber sicher ist sicher.
Trotz heftigem Wind verlasse ich heute ein wenig wehmütig Nevada und freue mich auf Utah und gigantische Landschaften. Bei Grenzübertritt muss ich meine Uhr umstellen, ich verliere eine Stunde.
Morgen möchte ich Cedar City erreichen und dort ein oder zwei Ruhetage einlegen. Eventuell gibt es die Möglichkeit einen Ausflug mit dem Bus zu unternehmen.

So! Und wo sind nun die Pancakes?
So sonnen sich die Schlangen am Wegesrand.
Welcome to Utah! 
Long way to go.

Montag, 2. Mai 2016

One day off in Eureka

Die zwei vergangenen Tage waren anstrengende Tage auf dem Rad, körperlich und mental. Die Strecken führen mich über hohe Pässe und hinunter durch lange Täler. Die 30 Kilometer lange geradeaus Strecke vor Eureka mit mässigem Gegenwind verlangt nicht nur meinen Beinen einiges ab. Es ist vor allem für den Kopf eine Herausforderung. Man erahnt wie lang diese Strecke sein wird, sieht ein Ende und weiss, wo man sich in 2-3 Stunden wiederfinden wird. Da hilft nur eines, weiterfahren. Eine Pedalumdrehung nach der anderen. Und am besten nicht zu viel überlegen oder gar nach vorne schauen.
Nachdem ich in Austin ankomme, möchte ich eigentlich nur noch etwas essen und schlafen. Austin liegt über 2000 Meter hoch. Ein kleines verschlafenes Nest mit etwa 200 Einwohnern. Ich esse im Café gegenüber einen leckeren Burger. Der Barkeeper ist mit mir als einzigem Gast nicht wirklich ausgelastet, setzt sich mir gegenüber auf die andere Seite der Bar und kaut ein wenig lustlos auf ein paar mit wenig Fleisch bestückten Hühnchenknochen herum. Stolz erzählt er von der Bar, welche aus echtem Holz ist und extra aus England eingeschifft wurde. Die älteste Bar in Nevada, hier hat sogar schonmal eine deutsche Filmproduktion gedreht.
Robert ist der nächste Gast der sich hierhin verirrt. Er arbeitet eigentlich im anderen Café des Örtchens, hat aber einen Tag frei. Es entsteht eine lustige Runde und wir quatschen, spielen Billard und zu guter letzt wird noch die antike Musikbox mit Single Schallplatten angeschmissen. Ein viertel Dollar pro Song. Ich erfahre viel über die Menschen und Lebensbedingungen hier, erhalte ein Jobangebote und soll am besten direkt anfangen.
Am nächsten morgen fahre ich zum Frühstück in eben dieses andere Café. Es gibt um 6 Uhr morgens bereits leckere Pancakes. Als ich zahlen möchte werde ich von Robert eingeladen. Er wünscht mit eine gute Weiterreise und fragt erneut, ob ich nicht vielleicht doch den Job annehmen möchte.
An diesem Radtag leide ich. Ich merke den gestrigen Abend, der Barkeeper kommt ursprünglich aus Serbien und hatte grossen Spass daran mir einen serbischen Schnaps nach dem anderen auszugeben. Es geht über drei Pässe, eine lange Strecke, viel Gegenwind, viel geradeaus und wenige Autos. Vielleicht noch sechs in der Stunde, manchmal auch weniger.
Ich werde von ein paar Motorradfahrern überholt, ein paar Trucks und Autos und - einem Kampfjet. Vor Schreck springe ich fast vom Rad. Ich habe den Kampfjet weder kommen gehört noch gesehen. Er hat sich von hinten angepirscht, ist brutal tief über mich hinweggedonnert und dann war er auch schon wieder verschwunden.
An diesem Abend komme ich erschöpft in Eureka an. Kurz vor meiner Ankunft in der Stadt werde ich vom Sheriff überholt. Er wendet sein Auto, fährt auf mich zu und erkundigt sich, ob ich genug Wasser und Essen dabei habe und ob ich OK sei.
Wie in der Stadtbroschüre steht, ist Eureka eine der ursprünglichsten und besterhaltensten Westernstäde der USA. So sieht es hier auch aus.
Da mein Knie ein bisschen zickt, schiebe ich einen Ruhetag ein. "Die Tatsache legt der Phantasie Handschellen um" (Heinrich Wiesner) und so nutze ich den Tag um Wäsche zu waschen und durch das Städtchen zu flanieren - was allerdings schnell erledigt ist...
Die Landschaft verändert sich leicht, es gibt wieder ein paar kleine Bäume und ganz viele kleine Häschen. Auch die hier lebenden Menschen begeistern mich. Jeden Tag auf's neue, mit kleinen und grossen Gesten.

Früh morgens, für eine Stunde bin ich alleine auf der Strasse unterwegs. 
Der Beginn von 30 Kilometern geradeaus. 
Das ist der stolze Barkeeper in seiner Bar.
Eureka. Zu sehen ist fast der gesamte Ort.