Dienstag, 9. August 2016

Finally back home - Spuren verblassen, Erinnerungen halten ewig

Fast genau eine Woche ist es her, dass ich in St. John's in den Flieger eingestiegen bin. Der Flug ist problemlos, angekündigte Turbulenzen bleiben aus und so komme ich - nach dem Nachtflug - mehr oder minder ausgeruht am Sonntag morgen in Zürich an. 
Das Ende meiner Reise ist also gekommen und die Ente, das Fahrrad und ich sind gesund von der Transamerikatour zurückgekommen. Zu Beginn der Reise hatte ich der Ente so allerlei versprochen und nun ist der Augenblick der Wahrheit gekommen. Konnte ich all meine Versprechen halten? Ist die Ente zufrieden? Hatten wir eine schöne Zeit? 

Ja, die hatten wir.

Wir haben tolle Menschen kennengelernt, sind über gewaltige Bergpässe und lange Brücken geradelt, haben zwei Ozeane gesehen, mit richtigen Cowboys an der Bar gesessen, Steak gegessen, Einsamkeit in Nevada erfahren, Naturgewalten erlebt, den Grand Canyon und die Niagarafälle bewundert und sind ein kleines Stück der Route 66 gefolgt. Wir hatten viel Zeit für uns, sind meilenweit geradeaus geradelt.
Nervös bin ich Mitte April in San Francisco gestartet, den Kopf voller Fragen und Ungewissheiten: Wie geht man mit der Einsamkeit auf dem Rad um? Hat man keine Angst in einem fremden Land, wo man niemanden kennt? Und wenn man krank wird, was passiert dann? Was macht man wenn das Rad einen Defekt hat? Und wie navigiert man am besten, welche Strecke wählt man aus? Wie findet man ein gutes Nachtquartier und wie verpflegt man sich? Wie wird man als Radfahrer in einem Land aufgenommen, in dem selbst kleinste Distanzen mit dem Auto zurück gelegt werden? Warum genau möchte ich nun eigentlich mit dem Fahrrad über tausende Kilometer von Kalifornien nach Neufundland fahren? 

Und was bleibt?

Es bleibt die Gewissheit genau das Richtige getan zu haben. Den Schritt gewagt zu haben. Sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben. Mit allen Konsequenzen, trotz einigen Zweifeln und Bedenken. Ich wollte genau das: die Natur hautnah erleben und sehen wie sie sich langsam verändert, wollte die Menschen kennenlernen und mit ihnen ihre Lebensweise. Und ich wollte mich selbst herausfordern. Der Entscheid den HW50 zu radeln - die einsamste Strasse der USA - war der schwerste der gesamten Reise. 
Alle Erfahrungen, Erlebnisse, Begegnungen, Bilder und Kilometer sind in meinem Herzen gespeichert. Manche offensichtlich und präsent. Andere versteckt, bereit im richtigen Moment einfach so wieder aufzutauchen um Erinnerungen zu wecken. Erinnerungen an eine grandiose Zeit, überwältigt von der Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. Ich bin sehr dankbar für all die kleinen und grossen Begegnungen. Ich weiss, dass diese Erfahrungen nicht selbstverständlich sind. Und genau diese Begegnungen haben meine Reise geprägt. Jeder einzelne Mensch, auf seine eigene ganz spezielle Art und Weise. Die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen liessen meine Zweifel und Fragen verschwinden. Es ist einfach unbeschreiblich, solche Erfahrungen gemacht zu haben. 

Das Ende meiner Reise ist also gekommen. Aber ich bin nicht wirklich traurig. Zu spannend ist die Zukunft, auf die ich mich riesig freue. Et kütt wie et kütt un et hätt noch emmer joot jejange. Mit dieser Gewissheit verabschiede ich mich - auf zu neuen Abenteuern :-).

Ein bisschen Statistik...

Kilometer insgesamt:                     7752.58 Kilometer + ein paar zerquetschte zwischendurch
Höhenmeter insgesamt:                43377 Meter nach oben
Längste Etappe:                            205.06 Kilometer und 1041 Höhenmeter 
Km pro Fahrtage / Durchschnitt:   102 Kilometer
Längste Zeit im Sattel:                   9:40:12 Stunden
Schnellste Etappe:                        22.12 km/h
Langsamste Etappe:                     11.55 km/h nach South Lake Tahoe
Maximalgeschwindigkeit:              70,46 km/h
Tage im Sattel:                              76
Platten:                                          2 (Kansas & Missouri)
Erster richtiger Radtag:                 21.04.2016
Letzter richtiger Radtag:               26.07.2016
Höchster Pass:                             Monarch Pass mit 11.312 Feet / 3448 Meter 
Längste Strecke geradeaus:         35 Kilometer
Längste Strecke ohne Service:     75 Meilen / 120 Kilometer
Heisseste Temperatur / Rad:        46 Grad
Zeitzonen:                                     Pacific STD UTC -8, Mountain STD UTC -7, Central STD UTC -6, Eastern STD UTC -5, Atlantic STD UTC -4, Newfoundland STD UTC -3:30

Übersicht über meine Nachtquartiere - nicht immer der direkte Weg ;-).

Freitag, 29. Juli 2016

A very foggy welcome to the most easterly point in North America!

Überpünktlich stehe ich am Fähranleger, als erster in der Reihe. Nach mir eine Kolonne von Motorrädern und weiteren undefinierbar fahrbaren Untersätzen. Ich musste mein Hotel bereits am Mittag verlassen und somit habe ich noch gut fünf Stunden Aufenthalt, bevor die Fähre ablegen wird.
Als erster darf ich dann in den Fährbauch einfahren. Ich packe meine Sachen zusammen, welche ich für die Nacht benötigen werde: Schlafsack, Waschzeug, etwas zu Essen. Ich konnte keine Kabine buchen und werde die Nacht auf dem Fussboden im Kinosaal schlafen. Aber vorerst muss ich die Zeit bis zum zu Bett gehen noch überbrücken. Nach meinem Picknick an Deck setze ich mich an die Bar, unterhalte mich mit ein paar Nufies - Neufundländern - oder lausche den Gesprächen meiner Sitznachbarn. Nachts gibt es einen spürbaren Wellengang und bereits um fünf Uhr in der Frühe wache ich auf, die Nacht ist vorbei.
Pünktlich legt die Fähre dann in Argentia, Neufundland an. Noch zwei Radtage bis zum östlichsten Punkt Nordamerikas. Diese beiden Tage vergehen wie im Flug und ehe ich mich versehe, biege ich auch schon auf die 15 Kilometer lange Strecke ein, welche mich an mein Ziel bringen soll. Die Strecke erinnert mich sehr an die letzten Kilometer zum Nordkap: es geht bergauf und bergab! An diesem Tag werde ich knappe 80 Kilometer auf dem Tacho haben. Und knappe 1200 Höhenmeter! Und dann erreiche ich Cape Spear, nach unglaublichen 76 Tagen auf meinem Fahrrad! Und da ich die vergangenen Tage durchweg gutes Wetter hatte, ärgere ich mich auch nicht so sehr über den Nebel welcher mich hier erwartet. Das Wasser kann ich gerade noch sehen, einen schönen Ausblick gibt es keinen. Und auch keinen langen Aufenthalt, es ist dann doch zu kühl und nass.
Die letzten Meter bis nach St. John's sind schnell abgespult. Eine entspannte Stadt, mit vielen kleinen Lokalen und ein paar Möglichkeiten für den ein oder anderen Ausflug. Ab Mittwoch mit einem weiteren Highlight: dem George Street Festival 2016, mit viel live Musik und einer ausgelassenen Stimmung.
Ich wandere an einem Tag in ein kleines Fischerdorf und werde Zeuge, wie sich fünf Männer zu echten Neufundländern taufen lassen (indem sie sprechen und trinken wie ein Nufie und einer ausgestopften Möwe einen Kuss auf den Hintern geben). An einem andern Tag unternehme ich einen Schiffsausflug in der Hoffnung einen Wal zu entdecken - es bleibt bei abertausend Vögeln und ganz viel Vogelexkrementen. Und gestern besuche ich das George Street Festival und versacke bis weit nach Mitternacht.
Heute ist mein letzter Abend und ich habe bereits ein Ticket für den zweiten Tag des Festivals erstanden, gleich geht's los. Aber nicht zu lange, denn morgen geht mein Rückflug in die Schweiz. Die Sachen sind fast alle bereits verpackt. Das Rad ist schon sicher um Karton verstaut.

Die letzten Meter auf dem TCH - Kanadas Highway Nr. 1
Einmal quer durch Nordamerika mit dem Radel - müde und happy :-). 
St. John's, NFL - nicht zu verwechseln mit St. John, NB ;-)

Samstag, 23. Juli 2016

Willkommen am Atlantik!

Von der Halbinsel Nova Scotia aus werde ich bald auf die Kap-Breton-Insel gelangen. Dort werde ich auf ein paar "hübsche kleine Hügel" treffen - was auch immer das heissen mag. Ich liege hervorragend in der Zeit, der Wind bläst konsequent aus Richtung West und schiebt mich sanft in Richtung Ziel. Ich fahre nicht mehr direkt auf dem grossen Highway, sondern folge einer kleinen Strasse, immer entlang der Küste. Wunderschön, oft gibt es tolle Blicke auf das Wasser zu geniessen. Das ist für mich eine willkommene Abwechslung von den ganzen Grüntönen um mich herum. Die angekündigten Hügel gibt es hier, es geht immer wieder auf und ab. Gut zu radeln, auch das Wetter spielt mit. Die Sonne scheint und wärmt die Luft auf Temperaturen um die 30 Grad.
Auch eine schöne Abwechslung sind die Anfeuerungen der Autofahrer und Bewohner. Winken, Hupen - bleibe ich stehen werde ich fast immer direkt angesprochen. Man ruft mir sogar beim Fahren nach, ob ich noch Wasser oder Verpflegung benötige.
Und dann erreiche ich sehr schnell die Kap-Breton-Insel, nordöstlich des Festlandes.
Mein heutiger Radtag startet um 5:30 Uhr in der Früh, mein letzter Early Bird? Ich verbrachte die Nacht in einem schönen Motel etwa 6 Kilometer von Whycocomagh entfernt am Highway. Ich kann das Ende meiner Reise schon deutlich spüren. Ich erwache am frühen Morgen ohne Wecker, kann es nicht erwarten bis die Sonne endlich aufgeht und ich losfahren kann. Bereits am frühen Nachmittag erreiche ich North Sydney und den Atlantik! Am Pazifik bin ich gestartet und nun sehe ich den Atlantik, ich kann es noch gar nicht so recht glauben!
Ich werde von North Sydney aus am kommenden Sonntag auf die Fähre Richtung Neufundland steigen, habe also einen Ruhetag in dieser kleinen Stadt. Hier gibt es erneut einen komplett anderen Schlag Menschen.
Bereits bei der Ankunft ist es in North Sydney anders als in anderen Kleinstädten. Ich sitze bei einem Kaffee in einem bekannten Quickservice-Systemrestaurant an einem Vierertisch. Eine ältere Dame fragt mich ob sie sich zu mir setzen darf. Ich stutze ein wenig, denn es sind noch viele Tische frei, habe aber überhaupt kein Problem damit und sie setzt sich mir gegenüber, trinkt ruhig ihren Kaffee und isst ihren Donut. Natürlich sprechen wir miteinander, sie wohnt hier und ist hier geboren worden. Ich begleite sie noch bis nach North Sydney Downtown und dann verabschieden wir uns voneinander.
Und auch sonst scheinen sich hier alle Menschen zu kennen. Gross ist dieser Ort ja nicht, wird aber regelmässig, an den Fährzeiten angepasst, von Touristen überflutet. Und dann geht es hier rund. Ausserhalb dieser Zeiten ist Ruhe angesagt. Es gibt viele Motorradfahrer und mit ihnen ein ganz eigenes Ambiente. Und es gibt tolle Restaurants mit leckeren Fischgerichten. Und das Hotel hat eine Bar in der heute Abend gute live Musik gespielt wird.
Von meinem Hotelzimmer sehe ich direkt auf den Fähranleger, die Fähre wird mich dann hoffentlich innerhalb von etwa 17 Stunden nach Neufundland verschiffen. Ein Bett konnte ich nicht buchen, aber ich habe ja einen Schlafsack und bin erprobt was schlafen an Bord angeht.
In Neufundland werden dann noch zwei Radtag anstehen bis ich den östlichsten Punkt des nordamerikanischen Kontinents erreichen möchte. Von diesem Punkt geht es dann direkt nach St. John's - zum feiern, geniessen und einfach sein.

Das Fischerdörfchen Pictou, sehr ruhig. 
Sonnenaufgang auf dem Rad geniessen :-)
Ausblick auf Cape Breton, hügelig und waldig. 
Der Fährhafen in North Sydney. 

Dienstag, 19. Juli 2016

Going East - willkommen in Nova Scotia!

Immer weiter Richtung Süden fahrend komme ich an ein paar kleinen Ortschaften vorbei. Eine Kirche gibt es immer, Lebensmittelgeschäfte oder Cafés sind dünn gesät. Vorbei an den Wasserfällen in Grand Falls sehe ich in Hardland die längste gedeckte Brücke der Welt. Und ich kann eine echte kanadische Auktion beobachten während ich mir einen kühlen Eistee gönne. Eine Ansammlung von Menschen steht um den Auktionator herum, dieser spricht so schnell - ich verstehe einfach nichts. Es ist spannend zuzuschauen. Ich erfahre, dass man sich hier vor allem trifft um zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen.
In Fredericton checke ich kurzfristig in einem B&B unweit der Innenstadt ein. Ich lasse es mir nicht nehmen, Fredericton Downtown zu erkunden und mache einen Zwischenstopp in einem netten Lokal.
Am nächsten morgen treffe ich am Frühstückstisch an die weiteren Gäste des B&B und lerne meine Gastgeber ein wenig besser kennen. Alle anwesenden Personen sind sich sympathisch und es entsteht eine entspannte Gesprächsrunde. Das Frühstück dauert so fast zwei Stunden. Natürlich erkundige ich mich bei den anwesenden Personen über die Strecke der nächsten Radtage, denn im Gegensatz zu mir waren alle schon in Nova Scotia. "Von hier nach Moncton? Am besten nimmst du den Highway, aber es gibt die nächsten knapp 200 Kilometer ausschliesslich Bäume und zu sehen, Hügel zu befahren und kaum Service". Muss ich mir das wirklich noch geben? Ich entschliesse mich Charm und John zu fragen, ob sie mich bis nach Moncton mitnehmen können und tatsächlich, das ist kein Problem. Das Rad ist schnell im Subaru verstaut und keine 30 Minuten später rollt es sich sehr entspannt den ersten Hügel hinauf. Die Zeit vergeht wie im Flug, wir quatschten über alles mögliche und ich werde für die Nacht zu den beiden nach Hause eingeladen. Kurz vor Moncton machen wir einen Abstecher in das Familien-Sommerhaus. Charm hat hier einen kleinen Garten angelegt und ist sichtlich stolz auf die ersten selbstgeernteten Radieschen. Im Sommer trifft sich hier einmal im Jahr die komplette Familie zum Bücher-Wochenende: es wird nur gelesen, geredet und gegessen. Alle elektronischen Geräte werden verbannt.
Die beiden wohnen in einem gemütlichen Haus am Stadtrand von Moncton und werden schon sehnsüchtig von den zwei Katzen erwartet. Ich werde kurz durch das Haus geführt. Von der Gastfreundschaft der Menschen hier habe ich zwar gehört. Das diese Gastfreundschaft allerdings so herzlich ist, dass man sich direkt wohl fühlt ist schon gewaltig. Ich bin ja eigentlich eine fremde Person und dennoch wird mir ein riesengrosses Vertrauen entgegengebracht.
Der Nachmittag ist entspannt. John sitzt am Küchentisch und bereitet sich auf den morgigen ersten Arbeitstag in der neuen Firma vor. Charm steht neben dem Küchentisch und bügelt und ich sitze ebenfalls am Küchentisch und lese. Kurz kommt die Schwester von John zu Besuch um ihm für den morgigen Tag alles Gute zu wünschen. Und dann ist es auch schon Zeit das Abendessen vorzubereiten. Charm zaubert ein leckeres Abendessen, ich helfe ihr. Pünktlich zum Essen kommt der Bruder von Charm vorbei und isst kurzerhand mit uns zu Abend. Es wird eine Flasche selbst in Auftrag gegebenem Rotwein geöffnet. Nach dem Abendessen zeigen mir Charm und John noch die Sehenswürdigkeiten der Stadt, touristisch am bekanntesten ist der magnetische Hügel - dies ist eigentlich nur eine Strasse, speziell ist aber die optische Täuschung. Man fährt den Hügel hinunter, kuppelt den Gang aus und rollt den Hügel hinauf! Ein komisches Gefühl ist das. Der letzte Stop erfolgt an einer kleinen Eisdiele. Ich lade die beiden auf ein Eis ein, Lakritz mit Schokolade und Vanille - genial lecker.
Am nächsten morgen frühstücken wir zusammen, John verlässt pünktlich um 8:10 Uhr das Haus und Charm und ich sitzen, reden und trinken Kaffee. Zum Abschied erhalte ich noch ein Lunchpaket und dann bin ich wieder on the Road, zugegeben - es ist schon recht spät als ich mich auf den Weg mache.
Ich folge an diesem Tag für 60 Kilometer dem geschäftigen zweispurigen Highway Richtung Osten. Während meiner ersten und einzigen Pause werde ich von Jack angesprochen. Er fragt ob er mich ein kurzes Stück begleiten darf. Keine zwanzig Minuten später steht er mit seinem Rad vor mir und wir fahren gemeinsam bis nach Nova Scotia. Er plant für das kommende Jahr eine Trans-Kanada Tour. Er ist 22 und möchte sich bei der Reise klar darüber werden, was er beruflich machen soll. Und er möchte sein Land besser kennenlernen.
In Amherst geht es für mich runter vom Highway auf eine weniger befahrene Nebenstrasse Richtung Küste. Ich finde in Pugwash ein tolles B&B. Die Gastgeber, Jacki und Paul, sind einfach perfekt. Im Ort gibt es kein schönes Restaurant, aber ich könnte im B&B zu Abend essen. Es gibt heimischen Fisch mit Reis und einem grünen Salat. Dazu tatsächlich ein Glas Weisswein aus der Region - was fast schon etwas besonderes ist. Denn es wird häufig Wein aus allen Ecken der Welt angeboten, aber eben nicht aus Kanada. Ich schlafe hervorragend und starte mit einem Lachsspinat Omelett und frischen Früchten in den Tag - hatte ich eigentlich erwähnt, dass Paul jahrelang ein sehr gefragter Küchenchef war und als Radfahrer genau meine Bedürfnisse kennt ;-)?

Die längste gedeckte Brücke der Welt! 
Das ist eine typische Auktion in Neubraunschweig.
In der Mitte sind Charm & John, links der Bruder von Charm.  
Jack begleitet mich ein Stück bis nach Nova Scotia.
Sehr, sehr lecker!

Sonntag, 17. Juli 2016

Waldig, wellig, windig - willkommen in Neubraunschweig

Ich lasse die Provinz Quebec hinter mir und tauche in die unendlich wirkende Waldlandschaft von Neubraunschweig ein. 80% Wald machen diesen Landstrich aus - das ist schon recht viel. Gesprochen wird hier wieder mehr Englisch. Und ich darf meine Uhr erneut umstellen, dass vorletzte mal auf meiner Reise.
Ich bin schon auf Neufundland gespannt. Dort soll ein wenig undefinierbares Englisch gesprochen werden, schwieriger zum verstehen. Ist ja auch irgendwie logisch, eine Sprache entwickelt sich auf einer Insel eben anders. Die Fähre nach Neufundland fährt nur drei mal pro Woche, hier ist also Timing angesagt.
Ich fahre nach meinem Ruhetag kurz vor Quebec immer weiter am Sankt-Lorenz-Strom entlang. Was zuerst ein kleiner Fluss war, entwickelt sich zu einem grossen Strom. Das andere Ufer ist mittlerweile schon sehr weit weg. Auch die Luft wird deutlich maritimer. Mir kommt ab und zu auf dem Rad eine kühle salzige Meeresbrise entgegen, der Atlantik ist nun wirklich nicht mehr weit entfernt. Langsam aber sicher steuere ich mein Ziel auf Neufundland an. Aber zuerst muss ich natürlich erst mal vom Strom wegradeln, Richtung Süden ins Landesinnere, immer an der Grenze zur USA entlang. Es ist hügelig, die nördlichen Ausläufer der Appalachen lassen mich grüssen. Oft kann ich dem Trans-Canada Radweg folgen, dieser Trail ist allerdings recht einsam und geht teilweise sehr lange durch Waldstücke. Da ich keine Karte von diesem Fernradweg besitze und mir die Orientierung im Wald meist schwerfällt, weiss ich ab und an nicht so recht wo der Weg verläuft. Ich entscheide mich daher für einen Trail / Strassen Mix und fahre damit recht gut. Die Strassen sind nicht sehr stark befahren, da die hiesige Autobahn ebenfalls parallel verläuft. Auf dem Trail packe ich meine Bärenglocke aus. Ganz nach dem Motto: besser eine Bärenglocke an Bord, als einen Bären...
Die Menschen in Quebec und Neubraunschweig sind ebenso herzlich und einladend wie die Menschen die ich bereits auf meiner Reise kennenlernen durfte. Meistens werde ich in meinen Mittagspausen angesprochen, mir wird ein Schlafplatz angeboten oder ein Stück Rasenfläche für mein Zelt.
Kurz nach Quebec habe ich tatsächlich das Glück in einer dieser Mittagspausen einen anderen Reiseradfahrer kennenzulernen. Er ist für drei Tage unterwegs, hat aber fast so viel Gepäck wie ich... Er fährt eigentlich ein wenig zu schnell für mich, vor allem an Steigungen wird dies deutlich. Aber dafür kann ich mich in der Ebene bei Rückenwind an sein Hinterrad hängen und ordentlich Kilometer abspulen. Nach diesem Radtag bin ich müde und froh, einen richtig tollen Campingplatz direkt am Wasser ausfindig zu machen. Das Zelt ist schnell aufgestellt, ich habe mich mit einem Pärchen zum Abendessen verabredet. Die beiden sind auch mit dem Rad unterwegs und wir essen typisch kanadisch. Ich weiss bis heute nicht was ich da genau gegessen habe, irgendein Ragout mit Kartoffeln - ich bestellte mehr oder weniger auf gut Glück, denn ich hatte so meine Mühe mit der französischen Speisekarte. Aber das Essen war sehr lecker und die Gespräche waren gut. Lange wurde der Abend nicht, denn wir waren alle froh in die Schlafsäcke zu kriechen.

Wunderbarer Zeltplatz direkt am Wasser.
Quebec - eine historische Stadt.
Typisches Bild vom Trail. 

Sonntag, 10. Juli 2016

Bienvenue à Quebec!

Nach einer erholsamen Nacht in Prescott führt mich mein Weg immer weiter am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms entlang. Vorbei an verträumten Buchten, durch kleine Ortschaften mit schönen Häusern. An vielen Orten ist man auf Radfahrer eingestellt, es gibt oft Radwege parallel zur Strasse und ab und zu sogar die Möglichkeit die Wasserflaschen zu füllen.
Das Wetter ist gut und es wird mal wieder Zeit im Zelt zu übernachten. Ich steuere vor Montreal einen Campingplatz direkt am Wasser an, baue mein Zelt auf und versorge das Rad. Die vordere Tasche mit den stinkenden Radschuhen lasse ich am Rad, wer möchte das schon gerne im Zelt haben? Mitten in der Nacht werde ich allerdings wach, da macht sich jemand an meinem Rad zu schaffen! Schnell die Taschenlampe herausgekramt und aus dem Zelt gesprungen. Einen Waschbär auf frischer Tat ertappt sozusagen - was er erbeuten wollte bleibt mir ein Rätsel. Auf jeden Fall ist ein Pfotenabdruck auf der Tasche zu erkennen und ich beschliesse die Tasche nun doch ins Zelt zu nehmen. Wer weiss auf welche Ideen der Waschbär noch gekommen wäre?
Pünktlich um 5:30 Uhr wecken mich irgendwelche Vögel mit wildem Geschnatter. An schlafen ist nicht mehr zu denken und ich packe meine Sachen zusammen. Auf der Etappe bis Montreal steht Gegenwind auf dem Programm und ich bin froh, dass ich früh loskomme. In einem Café mache ich einen kurzen Zwischenhalt und lerne drei sehr nette Kanadier kennen, welche dieses Café betreiben. Ich unterhalte mich lange und geniesse einen guten Kaffee. Bald wird es mit dem unterhalten schwieriger, denn die Grenze zu Quebec steht kurz bevor und dort wird überwiegend französisch gesprochen.
Am nächsten Tag erreiche ich die Randgebiete von Montreal auf der gegenüberliegenden Uferseite. Was in Toronto die roten Ampeln waren, sind in Montreal die Stop Schilder. Zuerst stoppe ich natürlich pflichtbewusst an jedem Schild. Dann beobachte ich andere Verkehrsteilnehmer und rolle langsam über die Stop Signale hinweg. Und irgendwann schaue ich nur noch, ob ich von der Polizei beobachtet werde oder ob es andere Verkehrsteilnehmer in der Nähe hat. Nein? Sehr gut, da brauche ich nicht abbremsen...
Hier bin ich sicherlich nicht das letzte Mal gewesen, der nächste Besuch wird dann wahrscheinlich ohne Rad erfolgen. Wie bei jeder Grossstadt bin ich froh, als ich mich am folgenden Tag ein letztes Mal umdrehe und die Hochhäuser der Stadt langsam kleiner werden.
Heute steht eine lange Etappe an, der Gegenwind macht das Fahren mühsam und einsetzender Regen hebt meine Stimmung auch nicht gerade an. Alles ist grau in grau, die Strecke eigentlich schön. Es wird ein langer Radtag, ein kurzer Zwischenstopp bei "Chez Berger" auf einen Florentiner und weiter geht's. Immer wieder werde ich von kleinen schwarzen Vögeln mit den roten Flügeln beschimpft. Die kenne ich bereits aus den USA. Sie fliegen über meinem Kopf hin und her und piepen mich lautstark an. Ich komme wohl ihrem Nest zu nahe. Sie könnten es ja dabei belassen, aber verfolgen mich regelmässig für mehrere Meter. Irgendwann bin ich davon so genervt, dass ich lautstark zurück brülle - sie sollen nun endlich Ruhe geben, ich interessiere mich einfach nicht für Ihre Gelege. Nützte allerdings nichts gegen das piepen, aber ich bringe mich selbst zum Lachen, das ist doch auch schonmal was... Völlig durchnässt komme ich dann in der Dämmerung im Hotel an und freue mich über eine heisse Dusche und ein schönes Zimmer. Da für den nächsten Tag wieder Regen und Gegenwind angesagt ist, bliebe ich hier kurzerhand eine weiter Nacht und lasse es mir gutgehen. Es ist Sonntag und ab Sonntag Mittag wird es meistens ruhiger, die meisten Gäste reisen ab - the weekend business is finished. Dies merkt man auch an der Stimmung des Personals, ich liebe diesen Wechsel. Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob das ganze Hotel schläft. Ich fühle mich an diesen Tagen nicht mehr einfach nur als willkommener zahlender Gast, sondern als herzlich willkommener Gast (natürlich immer noch zahlend :-)). Ich verbringe den heutige Tag irgendwo im nirgendwo vor Quebec ganz gemütlich mit relaxen, geniessen und gönne mir eine entspannende einstündige Ganzkörpermassage - nun bin ich definitiv tiefenentspannt.

Wasserflaschen befüllen leicht gemacht!
In diesem Café wird organic food verkauft, sehr lecker :-) 
Auf frischer Tat ertappt - sogar mit Pfotenabdruck.

Regen. Und das den ganzen Tag. Die Ente & ich im Partnerlook.

Mittwoch, 6. Juli 2016

On the road again - immer am Wasser entlang

Am vergangenen Sonntag fühlte ich mich auf meinem Rad wie ein Fremdkörper. Das fährt sich aber komisch und wirklich bequem ist es auch nicht. Und ausserdem komme ich so langsam voran... Ich schlängele mich durch Toronto, es dauert einen ganze Tag bis ich gefühlt Stadt und Randgebiete hinter mir lasse. Stop and Go ist angesagt, ich stehe oft an roten Ampeln und muss warten.
Mein Weg führt mich immer entlang des Lake Ontario im Richtung Osten. Ich lasse die Hektik der Grossstadt langsam hinter mir. Ein letzter Blick zurück entlang der achtspurigen Schnellstrasse und ich freue mich auf ruhigere Zeiten im Sattel.
Die Landschaft ist angenehm wellig und führt mich entlang von mit Obstbäumen gesäumten Strecken bis nach Kingston. Hier sollte ich etwas Zeit verbringen, diesen Tipp erhielt ich von vielen Kanadiern. Kingston war einst Hauptstadt, wurde aber durch Ottawa ersetzt. Die damalige Hauptstadt lag einfach zu nah an den USA.
Ich checke also in Kingston in ein altes aber zentral gelegenes Hotel ein und mache mich auf den Weg die Stadt zu erkunden. Ich bin immer noch ein wenig gefrustet, denn auch der dritte Radtag nach meiner langen Rad-Abstinenz ist nicht wirklich lustig oder gar entspannt verlaufen. Aber es nützt ja nichts, denn ich weiss: da muss ich einfach durch und es werden sicherlich wieder bessere Zeiten kommen.
Mit diesen Gedanken schlendere ich zwei Blogs in Richtung Hafen. Weiter komme ich nicht, denn es lacht mich ein kleines mexikanisches Lokal an. Ich setze mich an die Bar und bestelle mir ein Glas Weisswein und eine Portion Guacamole. Ich schaue den Servicekräften ein wenig zu und staune nicht schlecht, denn es sind alles sehr gut aussehende Damen im kleinen Schwarzen. Die männlichen Pendants sind entweder in der Küche oder abwesend. Auf jeden Fall laufen sie nirgends herum. Da ich ja nur einen Apéro wollte, mache ich mich also wieder auf den Weg in Richtung Hafen. Dort komme ich dann auch an, schlendere durch den Park und beobachte Menschen. Mein Blick fällt auf eine toll gelegene Bar, über dem Hafen sozusagen und ich beschliesse diese zu besuchen und ein weiteres Glas Weisswein zu trinken. Vor mir sitzen zwei ältere Damen und philosophieren, neben mir wird scheinbar ein Business abgewickelt und in der Ecke sitzt ein verliebtes Pärchen. Ich geniesse den Blick auf den Hafen und hänge meinen Gedanken nach, bis ich Lust auf einen Kaffee bekomme. Mein Weg führt mich diesmal vom Hafen weg und Richtung Altstadt. Ich schaue noch kurz in ein deutsches Lokal hinein, naja - es hat mich nicht wirklich angesprochen. Ich finde ein kleines Café mit einer duftenden Auslage von leckeren Gebäckstücken, Kuchen, Keksen und sonstigen Backwaren. Es bleibt für mich bei einem Cappuccino. Das Publikum besteht hier scheinbar ausschliesslich aus Studenten. Ich versetze mich kurz in meine Studentenzeit und freue mich darüber, dass ich diese so erleben durfte. Nach dem Cappuccino habe ich allerdings keine wirkliche Bettschwere. Von dem Dach eines Gebäudes ertönt laute live Musik. Das schaue ich mir doch einfach mal an. Vier Stockwerke hochgelaufen und ich ergattere den letzten Sitzplatz an der Bar sowie einen Gin Tonic. Neben mir ein interessant aussehender Typ, man würde ihn wohl eher als komischen Kauz bezeichnen. Neben der Live Musik wird Baseball auf Grossleinwand gezeigt. Ich komme mit Frank, meinem Sitznachbarn, ins Gespräch und wir diskutieren über Sport, Politik und Schach. Mit dem festen Vorsatz zurück ins Hotel zu gehen verabschiede ich mich von Frank. Ich schlendere also in Richtung Hotel, schaue in die geschlossenen Geschäfte hinein. Kurz vor meinem Hotel, sozusagen direkt nebenan, gibt es ein kleines Lokal. Im Schaufenster sitzt ein Mann mit Gitarre, er singt offensichtlich für ein kleines Publikum. Ich bleibe kurz stehen und betrachte diese Szene interessiert, es wirkt auf mich sehr friedlich. Ich bin neugierig und betrete das Lokal, bestelle mir an der Bar einen trockenen Rotwein und bleibe auch gleich dort sitzen. Ich höre in den folgenden zwei Stunden fünf verschiedene Sängerinnen und Sänger - und wechsele mit keinem anderen Gast ein Wort! Ich geniesse einfach nur einen guten Rotwein, eine friedliche Atmosphäre und gute Musik. Zwei Stunden in einer Bar ohne ein Wort zu wechseln, das habe ich auch noch nie hinbekommen. Weit nach Mitternacht wandere ich dann definitiv in mein Zimmer. Am Morgen gönne ich mir nach dem wachwerden noch weitere zwei Stunden Schlaf. War vielleicht doch ein wenig viel am vergangenen Nachmittag, Abend, Nacht...
Erstaunlicherweise läuft der folgende Radtag hervorragend und ich geniesse eine wunderbare Strecke entlang des Sankt-Lorenz-Strom, fühle mich auf dem Rad richtig wohl und checke in Prescott entspannt in einem kleinen B&B ein.

Viel Wasser und Grün vor Kingston.
Kingston Downtown.
So harmlos begann der Abend...
Immer entlang des Stroms Richtung Montreal. 

Montag, 27. Juni 2016

Goodbye USA - thanks for awesome 5393,79 km on my bike!

Eigentlich hatte ich versprochen meinen beiden Omas ganz viele Postkarten zu schreiben. Doch in Ohio, Indiana und Illinois stellt die Suche nach Postkarten eine unlösbare Aufgabe für mich dar. "Du kannst ja eine Glückwunschkarte schreiben. Ist ja fast eine Postkarte", diese Antwort ist vielleicht ein Versuch, aber keine Lösung für mich. Ich hoffe einfach, dass ich am Lake Erie auf Postkartenverkaufsstände treffe und mit ihnen auf eine schönere Landschaft. Da es freilich nicht immer durch atemberaubende Landschaften gehen kann, fahre ich pro Tag einfach ein paar Kilometer mehr und komme recht schnell voran.
Etwa 50 Kilometer vor Cleveland mache ich eine verspätete Mittagspause in einer Bar direkt am See gelegen, ein kleiner Campingplatz schliesst sich an die Bar an. Der Barkeeper fragt mich wo ich denn noch hinmöchte und als ich mit "Cleveland" antworte, schüttelt er den Kopf. Das sei keine gute Idee, Cleveland hat die NBA gewonnen - ein historischer Sieg - die ganze Stadt steht Kopf. Für den kommenden Tag ist eine grosse Parade angekündigt. Ich entschliesse mich kurzfristig mein Zelt bereits hier aufzubauen, um dann am nächsten Tag nach Cleveland zu fahren und ein bisschen mitzufeiern. Und ich lasse es mir nicht nehmen, im Lake Erie zu baden. Der See ist bereits jetzt schon sehr warm und einen feinen Sandstrand gibt es ganz für mich alleine als Zugabe obendrauf.
Am nächsten Tag checke ich in Cleveland in einem Hostel ein, in meinen Zimmer schlafen noch weitere drei Männer und zwei Frauen. Schon beim Einchecken werde ich von einer älteren Dame angequatscht. Sie ist eigentlich nett, hat aber eine spezielle Art an sich. Seit ein paar Jahren verbringt sie ihre Zeit mit Reisen, weil ihr Gott das so aufgetragen hat. Sie beschwert sich bei mir allerdings, dass ihr niemand diese Reisen bezahlt. Dann löchert sich mich mit Fragen und wäre ich etwas labiler, ich hätte meine Reise sofort abgebrochen: sie berichtet mir von Mord und Totschlag. Wie kann ich auch nur in einem gemischten Zimmer nächtigen? Das sei viel zu gefährlich wegen der Männer - Männer kommen bei ihr generell nicht sehr gut weg. Ich denke an "Airolo - Göschenen", stelle auf Durchzug und nicke freundlich. Nach einem anstrengenden Radtag ist mir das ein wenig viel... Nach dem duschen mache ich mich auf dem Weg in Richtung Stadtzentrum, es ist soviel los! Mir vergeht nach nur fünf Minuten die Lust auf feiern, viele Krankenwagen, laute Menschen, viele Autos. Ich fühle mich unwohl und beschliesse den Tag auf der Dachterrasse des Hostels ausklingen zu lassen.
Die nächsten beiden Tage geht es direkt am See entlang, in riesigen Schritten in Richtung Kanada. Ich habe vor die Niagarafälle zu besuchen und möchte in Buffalo über die Grenze radeln. Die Sonne verwöhnt mich, die Strecke am Lake Erie entlang ist wunderschön und ruhig. Ich verlasse Ohio und bin für einen Tag in Pennsylvania. Dann geht es auch schon nach New York.
Irgendwo auf dem Highway 20 mache ich in einem kleinen Restaurant direkt an der Strecke meine Mittagspause. Auf der Karte finde ich nicht wirklich etwas was mich spontan anlacht. Aber die Dame am Nachbartisch geniesst ein verspätetes Frühstück mit Rührei und Toast. Ich frage bei der Bedienung nach und erhalte kurze Zeit später exakt das gleiche Gericht. Lecker! Ich komme mit der älteren Dame vom Nachbartisch und ihrer Tochter ins Gespräch. Sie erzählt mir, dass sie früher - vor 50 Jahren - auch mal eine längere Radtour auf dem Highway 20 unternommen hat. Damals fuhren hier noch viele Trucks und da sie nur kurze Shorts trug, wurde ab und zu kurz gehupt. Aber sie wusste sich mit einem Fingerzeig zu helfen und zeigte mir kurz ihren Mittelfinger. "Das wirkte", erzählt sie mir. Ich kann es kaum glauben, die Dame ist geschätzt weit über 85 Jahre alt und grinst mich schelmig an. Absolut fit im Kopf erzähl sie noch ein wenig weiter, dann verabschieden sich beide von mir und verlassen das Restaurant. Die Bedienung kommt, macht den Tische sauber und teilt mir mit, dass mein Lunch von ebendiesen beiden Damen bezahlt wurde. Ich schaue sie ein wenig ungläubig an, frage noch mal nach. "Are you kidding me?!" Ich lasse Gabel und Messer liegen und renne schnell nach draussen, passe die beiden gerade noch ab und kann mich bedanken, woraufhin mich die Tochter ganz herzlich umarmt. Wow!
Gestärkt geht es weiter Richtung kanadische Grenze. Meine letzte Nacht in den USA verbringe ich auf einem Zeltplatz direkt am See. Ich habe noch nie am Strand gezeltet. Der Sand macht das Aufstellen des Zeltes zur kleinen Herausforderung, aber es klappt nach ein bisschen nachjustieren. Direkt neben mir kampieren Rhonda und ihre Schwester in ihrem Wohnmobil. Zum Frühstück bin ich herzlich eingeladen. Zuerst können wir allerdings einen wunderbaren Sonnenuntergang am Lake Erie bewundern. Wie gemalt senkt die Sonne sich Richtung Wasser und taucht die vereinzelten Wolken in warme Farben. Der Strand ist zwar voll von Campern und Zelten, aber alle sind scheinbar gebannt von diesem Sonnenuntergang - welcher hier so zweifelsohne oft zu bewundern ist.
Am nächsten Morgen wache ich ausgeruht auf und besuche die Sanitäranlagen. Ich bin noch nicht komplett wach, bis ein lauter Knall das ändert. Schlagartig sitze ich im dunkeln, die Sicherung ist raus. Oder irgendwas defekt. Auf jeden Fall ist der Strom weg und das Licht aus. Es ertönt ein lauter Schrei und daraufhin Gezeter: "das darf doch nicht wahr sein! Ich habe mit gerade meine Haare voller Shampoo!" Ich komme noch glimpflich weg. Später erfahre ich, dass der Schrei aus der Dusche von meiner Nachbarin kam und der Strom auf dem ganzen Campingplatz ausgefallen ist. Ohne Strom gibt es auch keinen Kaffee, geschweige denn ein Frühstücksei oder Bacon. Aber Rhonda weiss sich zu helfen und schmeisst kurzerhand um 7 Uhr morgens den Generator an ihrem Wohnwagen an. Wirklich leise ist der allerdings nicht. Und um das ganze noch zu toppen hat dieser Generator irgendwelche Schwierigkeiten, geht etwa 10 mal von alleine aus und muss wieder gestartet werden. Was auch nicht wirklich leise ist. Scheint aber niemanden zu stören, liegen vielleicht alle in ihren Zelten und sind genervt... Da der Generator auf uns keinen zuverlässigen Eindruck erweckt, beschliessen wir es bei einem Kaffee zu belassen. Denn die Gefahr, dass der Bacon nicht in einem Rutsch gebraten werden könnte ist uns beiden zu gross. Wir quatschen und nach etwa einer Stunde ist der "richtige" Strom wieder da und es gibt doch noch ein leckeres Frühstück.
Gestärkt geht es weiter in Richtung Osten. Ich erreiche nach einem weiteren Radtag die Grenze zu Kanada. Ich möchte über die Peace Bridge einreisen, dort ist aber gerade eine Grossbaustelle und somit stehe ich erst mal ein bisschen planlos vor der Brücke - wo lang als Radfahrer? Es dauert aber keine Minute und eine nette Dame in einer Art Golfcaddy fährt auf mich zu und teilt mir mit ich sei falsch. Sie möchte mich aber nicht wieder retour schicken und eskortiert mich kurzerhand zur Brücke, ich soll einfach ihrem Golfcaddy folgen. Auf der anderen Seite der Brücke angekommen, geht es auf zu den Einreiseformalitäten. In die Autoschlange einreihen, Helm und Sonnenbrille abnehmen und Pass herauskamen. Mein Pass wird aufmerksam durchgeblättert und der Blick des Zöllners bleibt eine gefühlte Ewigkeit an meinem Russland Stempel hängen. Er stellt mir ein paar Fragen, was da so in meinem Taschen sei, woher ich komme und so ich hinmöchte. Dann macht er den kanadischen Einreisestempeln in meinen Pass, wünscht mir eine gute Reise und lässt mich passieren. Das ging doch reibungslos vonstatten.
Reibungslos ist auch die Strecke bis zu den Niagarafällen entlang einer verkehrsarmen Uferstrasse. Schneller als gedacht sehe ich dann auch schon in der Ferne grosse Hochhäuser. Und als ich noch näher komme eine relativ grosse weisse Gischtwolke. Das Wasser stürzt hier beeindruckend in die Tiefe, da könnte ich den ganzen Tag zuschauen. Es gibt viel zu entdecken, ein spannendes geschäftiges Treiben.
Durch schöne Weinanbaugebiete radelt es sich entspannt bis nach Toronto. Dort lernte ich am gestrigen Abend Bipasha und Beryl kennen. Drei Frauen, die sich alle noch nie zuvor gesehen haben, bestellen sich gemeinsam eine Flasche Wein und philosophieren über das Leben. Ich geniesse den Abend, denn die Geschichten und deren Background sind spannend. In dieser Gegend gefällt es mir und ich werde ein paar Tage pausieren.






Samstag, 18. Juni 2016

Begegnungen in Illinois & Indiana

Nach einem Tag auf der Route 66 muss ich auch schon wieder runter von der Kultstrasse, ich möchte ja nach Neufundland und nicht nach Chicago. Also rechts abbiegen und immer weiter Richtung Osten pedalen.
Landschaftlich gibt es auf meiner Route keine grossen Highlights. Viele Felder, kleine Farmen, ab und zu ein Waldstück, vereinzelte Häuser, ein paar Seen und Flüsse. Ab und an eine Stadt, Atomkraftwerke und Windräder.
Für einen halben Radtag bin ich tatsächlich mal nicht alleine unterwegs. Steve habe ich auf dem Katy Trail kennengelernt, kurzfristig wollten er und seine Frau mich gerne für ein paar Kilometer begleiten. Wir fahren und quatschen viel und ruck zuck sind die ersten 80 Kilometer gefahren, wir machen Mittagspause und die beiden verabschieden sich wieder.
Aber richtig alleine bin ich ja nie. Vor allem nicht, wenn ich in Ruhe einen Kaffee geniessen oder auf der Strasse meinen Gedanken nachhängen möchte...
Am nächsten Tag werde ich von einem Polizeiauto überholt und angehalten. Also wegen "speeding" - Geschwindigkeitsübertretung - werde ich sicher nicht angehalten... Der Officer ist nur interessiert woher ich komme, wohin ich fahre und ob es mir gut geht. Ich erhalte "just in case" seine Visitenkarte. Wenn ich Hilfe brauche soll ich ihn anrufen. Wir machen noch ein Selfie und dann verabschieden wird uns voneinander. Ich fahre weiter auf einer herrlich ruhigen Strasse, etwa zwei Meilen parallel zum Highway verlaufend. Aber ich komme nicht richtig voran heute. Was ist hier los? Woher wissen die Menschen das ich eine Transamerikatour mache? Ich kann 1:1 zusammenzählen und eine ältere Dame bestätigt mir, dass sie vom Officer informiert wurde. Und sie sei doch so neugierig! Hat extra auf mich gewartet und löchert mich mit Fragen auf die ich gerne Antwort gebe. Es gesellt sich noch eine Nachbarin hinzu und wir kommen ins tratschen. Die beiden älteren Herren, welche mich mit ihren Pickups anhalten, sind nicht ganz so neugierig, wollen aber mal einen näheren Blick auf diesen verrückten Radfahrer werfen. Kurzfristig entsteht sogar eine kleine Telefonkette und ich werde drei Meilen weiter telefonisch angekündigt.
Ich komme dann aber doch noch in Monticello an und schiebe einen Ruhetag ein. Ein schönes Hotel und ich tue einen Tag lang gar nichts, ausser Wäsche waschen, mein Fahrrad reinigen, schlafen, schwimmen und relaxen.
Heute geht es dann wieder auf die Strasse. Ich weiss, die ersten 60 Kilometer wird es etwas mühsam, denn ich werde den geschäftigeren Highway bis Peru nehmen. Dort sehe ich zufällig ein Fahrradgeschäft, brauche ja früher oder später vorne einen neuen Mantel und eine neue Reflektorweste (meine alte Weste liegt irgendwo auf der Route 66). Ich soll das ganze Rad reinschieben und der Mantel wird direkt aufgezogen, eine neue Kette hat das Rad nun auch erhalten und im Idealfall sollte das so alles auch bis Neufundland halten. Das ist mal ein Service, da war ich im richtigen Geschäft. Zac, der Mechaniker, kennt sich perfekt aus. Selbst die Rohloff Schaltung ist bekannt, begeistert von meinem Rad macht er sich direkt an die Arbeit. Nun schnurrt mein fahrbarer Untersatz wieder wie neu und ich erreiche mein Nachtquartier in der Nähe von Warren.
Morgen bin ich dann auch schon wieder raus aus Indiana, es geht weiter nach Ohio. Zufällig bemerkte ich übrigens erst beim Einchecken im Hotel, das ich beim Übertritt von Illinois nach Indiana wieder eine Stunde verloren habe.

Zac & Shannon, in den Händen von Zac fühlt sich mein Rad pudelwohl! 
Das ist Steve, er ist Fotograf und begleitet mich für einen halten Tag. 
Zwischenstopp in einem gemütlichen Café, die Jungs haben den Laden im Griff ;-). 
Master Trooper Joseph - Joe - 
Die neugierige Dame und ihre Nachbarin - beide sehr sympathisch :-).

Dienstag, 14. Juni 2016

(Get Your Kicks On) Route 66

Ich dachte ja auf dem Rad könnte es über Tag nicht heisser werden als es die vergangenen Wochen schon war, doch dieser Tag toppt temperaturtechnisch einfach alles. Vorweg: heute hat es tatsächlich einmal kurz geregnet! Die nassen Strassen sind schneller abgetrocknet als ich schauen kann. Es kühlt um 10 Grad auf angenehme 36 Grad Waschküchentemperatur hinunter. Nur um danach wieder langsam aber kontinuierlich anzusteigen.
Ich fahre heute den gesamten Tag auf der historischen Route 66. Das diese Strasse historisch ist, merke ich auch am Strassenbelag. Ich werde ordentlich durchgerüttelt. Auch die Beschilderung ist nicht so einfach und durchgängig. An einem Punkt muss die Interstate genutzt werden. Nur Fahrräder, die müssen wo anders lang, aber wo? Ich versuche mich an einer Strasse direkt neben der Interstate, nur leider hört diese nach gut zwei Meilen einfach auf. Ich frage mein Handy um Rat und tatsächlich, weit kann es bis zur Anschlussstrasse nicht sein. Also geht es weiter auf einem kniehoch mit Grünzeug bewachsenem Feldweg, hier klappt das mit dem Radfahren noch. Dann kommt die Strasse in Sichtweite! Nur leider verlaufen davor Eisenbahnschiene und es steht auch noch ein Zug einfach so in der Landschaft herum, versperrt mir den Weg. So nah und doch so fern. Ich bücke mich, luge unter dem Zug hindurch und sehe eine wunderbar asphaltierte Strasse. Ob mein Rad unter dem Zug hindurch passt? Genug Platz müsste da vorhanden sein, ist ein Güterzug. Vielleicht ohne Taschen? Ich verwerfe die Idee aber schnell wieder. Wer weiss wann der Zugführer gedenkt los zu rollen. Stattdessen muss ich mich entscheiden: rechts oder links am Zug entlang? Welcher Weg ist wohl der kürzere? Weder rechts noch links sehe ich das Zugende. 50/50 - ich laufe links rum, denn in diese Richtung kann ich zumindest ein Haus sehen. Also ist dort auch ein Weg. Ich schiebe mein Rad auf groben Steinen am Zug entlang. Ich selbst laufe mehr oder weniger im Gestrüpp. So sehen meine Beine nun auch aus. Aber ich bin erfolgreich, kann vor der Lok über die Bahngleise und auf die Strasse wechseln. Ich bin schweissgebadet und matschig noch dazu.
Weiter rollte es bis Springfield, dann verliert sich die Route 66. Orientierungssinn ist gefordert. Und ein paar Schutzengel mehr, es sind viele Autos unterwegs. An einer Tankstelle fragt mich ein älterer Herr, ob er für mich beten darf. "Ja natürlich", antworte ich und dachte er würde mich in sein Sonntags- oder Abendgebet einschliessen. Er steigt allerdings aus seinem Auto aus, legt eine Hand auf meine Schulter, die andere Hand auf meinen Sattel. Und dann fängt er an zu beten. Und er betet und er betet... Als er fertig gebetet hat, verabschiede ich mich bei ihm mit den Worten "god bless you" - so wurde auch ich schon oft verabschiedet - und er freut sich sehr darüber.
Geld abheben am ATM Drive-through.
Man beachte die kleine Zahl oben links im Tacho und das bereits um kurz nach 11 Uhr!
Schieben ist angesagt...
Typisches Bild für die heutige Etappe. 
Kurz vor dem Ziel in Lincoln / IL. 

Sonntag, 12. Juni 2016

Mit der Fähre über den Mississippi

Ich radle in den vergangenen Tagen auf dem Katy Trail in Richtung Osten. Schön flach, immer entlang vom Missouri River.
Je näher ich nach St. Louis komme, desto städtischer werden die Menschen. Ich fahre hier durch das Naherholungsgebiet von St. Louis und das merke ich, nicht nur an den vielen Radfahrern - was mich sehr freut - sondern auch an den Preisen und Buchungen für die B&B Unterkünfte - was mich nicht sehr freut. Über das Wochenende sind kaum Unterkünfte zu finden, die meisten liegen deutlich über meinem Budget. Aber das konnte ich mir ja denken und so geniesse ich den tollen, autofreien Weg bis nach St. Charles. Dort biege ich ab und nehme die Fähre über den Mississippi nach Illinois, meinen siebten Bundesstaat der USA.
Während es in Missouri eigentlich sehr viel auf und ab geht, verläuft der Katy Trail nahezu eben. Ich geniesse das entspannte dahingleiten und die mit viel Liebe und Herzblut eingerichteten B&B am Trail. Man fühlt sich für eine kurze Zeit als Teil der Familie, nutzt man doch das gesamte Haus. Das ist das Konzept: man soll sich wie zu Hause fühlen.
Als ich in Hartsburg in ein B&B einchecke erwähnt meine Gastgeberin, dass es für diese Nacht noch vier weitere Gäste geben wird, die drei Bäder müssten wir uns teilen. "Kein Problem" antworte ich, denn ich habe beide Pärchen bereits auf dem Trail kennengelernt. Bei dieser Übernachtung in Hartsburg zaubert Mark - der Gastgeber - nicht nur ein hervorragendes Frühstücksomelett, sondern zum Nachtisch am Abend - als Mitternachtssnack sozusagen - eine kleine Torte mit Erdbeeren. Dazu gibt es guten Kaffee.
Die Tage auf dem Rad sind sehr warm, ich radelte nun auch durch Missouri ohne einen Tag unter 35 Grad Celsius. Bleibe ich stehen, bin ich schweissgebadet. Sogar meine Unterschenkel sind nass. Das sind harte Tage, aber man gewöhnt sich bekanntlich an alles und dieses Wetter würde man ja normalerweise als perfektes Hochsommerwetter bezeichnen.
Heute kreuzte ich den Mississippi, morgen plane ich die Route 66 zu erreichen. Dann geht es in grossen Schritten in Richtung Lake Erie und Kanada.

Auf dem Katy Trail Nr. 1
Auf dem Katy Trail Nr. 2 
Ein Beispiel, wo die ganzen Briefmarken herkommen, die ich so benötige :-). 
Wenn die Strasse an deinem Finger klebt, ist es definitiv zu warm...
Zum Abschluss gibt es heute einen kühlen Cocktail, einen tollen Ausblick auf den Mississippi und einen romantischen Sonnenuntergang.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Willkommen auf dem Katy Trail!

Der Tag nach dem 200 Kilometer Ritt war hart. Sehr hart, ich musste ordentlich beissen, bis ich in Windsor ankomme. Die Strassen sind schnurgerade und wellig. Auf bis zu 8 % Steigung für ein paar zerquetschte hundert Meter folgen 8 % Gefälle für die gleiche Distanz. Es ist selten eben.
Aber ich hatte eine gute Nacht und kann regenerieren, heute starte ich also freudiger Erwartung auf den Katy Trail. Und ich werde nicht enttäuscht!
Die ersten Kilometer sind eben und es sind vor allem wilde Kaninchen, welche mir Sorgen bereiten. Sie wechseln die Trailseiten schneller als ich schauen kann, immer schön kurz vor meinem Rad. Getreu nach dem Motto: "Sie wissen schon was sie tun", fahre ich unbeirrt weiter. Ich hoffe einfach, dass ich kein Häschen erwische. Bei all den geschlagenen Haken könnte ich noch nicht einmal ausweichen oder bremsen.
Der Trail lässt sich perfekt fahren. Eine Bahntrasse, welche für die Bedürfnisse von Wanderern und Radfahrern umgebaut wurde. Die Strecke ist oft von Bäumen gesäumt, sodass ich der Sonne entfliehen kann. Ich merke wie entspannt das Radfahren auf einem solch perfekten Weg ist. Ich muss mir keine Gedanken um Autos, nicht angeleinte Hunde, Strecke und Servicemöglichkeiten machen. Einfach alles ist perfekt organisiert, ich freue mich hier unterwegs zu sein.
Meine erste und einzige Pause mache ich heute in Sedalia. Ich verlasse den Trail an der 16. Strasse und fahre Richtung Zentrum. An einem kleinen Laden - welcher Donuts und Kaffee verkauft - stoppt mein Rad. Ich öffne die Tür und am Stammtisch sitzen sieben gestandene ältere Herren, welche mich begrüssen. Der letzte freie Platz an diesem Tisch wird mir angeboten. Ich kann gar nicht so schnell schauen: meine Rechnung ist bezahlt, bevor ich Platz nehmen kann. Neugierig werde ich von allen Richtungen mit Fragen gelöchert. Dann geht alles Schlag auf Schlag: einer der Herren fragt mich, ob ich noch Zeit hätte. Er würde gerne die Zeitung anrufen für ein Interview. Faith vom Sedalia Democrat trifft keine zehn Minuten später im Donut Geschäft ein und interviewt mich. Fotos werden gemacht. Ein Herr verabschiedet sich von mir per Handschlag und - wie im Film - überreicht mir mit einem Augenzwinkern in seiner Hand versteckt einen 100 $ Schein, wünscht mir gute und sichere Fahrt und verschwindet. Der zweite ältere Herr, welcher sich von mir verabschiedet, ist ein baptistischer Priester und wird für mich beten. Der nächste Herr übergibt mir freudestrahlend eine kleine Tüte gefüllt mit Leckereien. Dann verabschiede ich mich und die Besitzerin überreicht mir eine riesige Tüte voll mit Donuts, sicherlich 10 Stück, beträchtlich schwer. Ich wollte doch nur einen Kaffee und einen Donut...
Ich fahre los und es drängt sich eine Frage auf: was bitte mache ich mit über einem Kilo Donuts? Aufessen? Und wie lange halten sich Donuts bei über 30 Grad? Ich beschliesse sie nicht zu essen, sondern zu verschenken und finde auch bald eine kleine Gruppe von fleissigen Bauarbeitern, welche sich sehr freuen.
Wieder auf dem Trail komme ich gut voran. Ich unterhalte mich kurz mit einem Reiseradfahrer, welche seine Tour gemeinsam mit einem Dinosaurier unternimmt. Da freut sich die Ente!
Dann bremst mich ein weiter platter Reifen aus. Ich beschliesse im nächsten kleinen Ort beim einem schnuckeligen B&B nach einem Zimmer zu fragen, verzichte auf das Reparieren des Reifens und pumpe für die verbleibenden drei Meilen dreimal nach. Und tatsächlich: Jerry hat ein Zimmer frei, ich bekomme die "Honeymoon Suite" und repariere nach dem Duschen ganz in Ruhe den platten Reifen. Den Mantel tausche ich gleich mit aus, das Profil war bereits sehr weit runtergefahren.
Dann lerne ich Babs und Tom kennen. Die beiden sind pensioniert und fahren den Katy Trail in kleinen Etappen. Sie laden mich zum Abendessen ein und danach lassen wir den Abend gemeinsam mit Jerry und einem Stück von ihm selbst gemachtem Bananen Pie auf der Veranda ausklingen.

Eine typische Raststation auf dem Trail.
Ein kurzer "Schnack" mit dem Kollegen... 
Im Donut Café, vor der "Hall of Fame".

Wer den Artikel gerne lesen möchte, findet ihn unter folgendem Link:
http://sedaliademocrat.com/news/12831/swiss-cyclist-stops-for-donuts

Dienstag, 7. Juni 2016

Ein heisser Ritt durch Kansas

Was war das jetzt mit dem Wind und den Tornados? Ein laues Lüftchen wehte in der letzten Woche in Kansas, von allen Seiten ein bisschen. Dazu Sonne und Hitze. Auf dem Rad um die 35 Grad. In den Mittagsstunden über 40 Grad, beim fahren! Ich bin langärmelig unterwegs, damit ich mir die Arme nicht verbrenne. Die Sonnencreme mit LSF50 ist zwar gut, kann aber auch keine Wunder vollbringen.
Kansas ist bei weitem nicht nur flach. Im Osten geht es wellig daher, da kommen schon ein paar Höhenmeter zusammen. Viele Kühe, viele Felder, kleine Ortschaften am Wegesrand. Nett anzusehen und gut zum radeln. Sonst passiert nicht viel, also wirklich nicht viel. Herzliche, kommunikative, hilfsbereite Menschen und rücksichtsvolle Autofahrer. Unmengen an Schlangen, Schildkröten und Gürteltieren, von klein bis gross. Auf der Strasse sind sie unbeholfen und recht langsam, ein leichtes Opfer für heraneilende Autoreifen.
Nach gut 800 Kilometern habe ich gestern dann aber endgültig genug von Kansas. Der Wind weht günstig und nach den ersten 100 gefahrenen Kilometern entscheide ich mich, noch einmal 100 Kilometer dranzuhängen und nach Missouri zu fahren. Diese Etappe wird mit Sicherheit zu einem heissen Anwärter für eine Königsetappe: 205 Kilometer, 1041 Höhenmeter und 9:30 Stunden im Sattel. Heute werde ich es entspannter angehen lassen, ich möchte am Nachmittag den Katy Trail erreichen. Ein autofreier Weg quer durch Missouri, da läuft es zwangsläufig meistens etwas langsamer, aber das macht nichts.

Pause in Wilson, mal einfach Nichtstun. 
Neugierige Kühe, Felder, blauer Himmel, alles schön geradeaus.
Das ist Arthur - er hat es munter auf die andere Seite geschafft :-) 
Da ist sie gefallen, die 200 Kilometer Marke.