Mittwoch, 8. Juni 2016

Willkommen auf dem Katy Trail!

Der Tag nach dem 200 Kilometer Ritt war hart. Sehr hart, ich musste ordentlich beissen, bis ich in Windsor ankomme. Die Strassen sind schnurgerade und wellig. Auf bis zu 8 % Steigung für ein paar zerquetschte hundert Meter folgen 8 % Gefälle für die gleiche Distanz. Es ist selten eben.
Aber ich hatte eine gute Nacht und kann regenerieren, heute starte ich also freudiger Erwartung auf den Katy Trail. Und ich werde nicht enttäuscht!
Die ersten Kilometer sind eben und es sind vor allem wilde Kaninchen, welche mir Sorgen bereiten. Sie wechseln die Trailseiten schneller als ich schauen kann, immer schön kurz vor meinem Rad. Getreu nach dem Motto: "Sie wissen schon was sie tun", fahre ich unbeirrt weiter. Ich hoffe einfach, dass ich kein Häschen erwische. Bei all den geschlagenen Haken könnte ich noch nicht einmal ausweichen oder bremsen.
Der Trail lässt sich perfekt fahren. Eine Bahntrasse, welche für die Bedürfnisse von Wanderern und Radfahrern umgebaut wurde. Die Strecke ist oft von Bäumen gesäumt, sodass ich der Sonne entfliehen kann. Ich merke wie entspannt das Radfahren auf einem solch perfekten Weg ist. Ich muss mir keine Gedanken um Autos, nicht angeleinte Hunde, Strecke und Servicemöglichkeiten machen. Einfach alles ist perfekt organisiert, ich freue mich hier unterwegs zu sein.
Meine erste und einzige Pause mache ich heute in Sedalia. Ich verlasse den Trail an der 16. Strasse und fahre Richtung Zentrum. An einem kleinen Laden - welcher Donuts und Kaffee verkauft - stoppt mein Rad. Ich öffne die Tür und am Stammtisch sitzen sieben gestandene ältere Herren, welche mich begrüssen. Der letzte freie Platz an diesem Tisch wird mir angeboten. Ich kann gar nicht so schnell schauen: meine Rechnung ist bezahlt, bevor ich Platz nehmen kann. Neugierig werde ich von allen Richtungen mit Fragen gelöchert. Dann geht alles Schlag auf Schlag: einer der Herren fragt mich, ob ich noch Zeit hätte. Er würde gerne die Zeitung anrufen für ein Interview. Faith vom Sedalia Democrat trifft keine zehn Minuten später im Donut Geschäft ein und interviewt mich. Fotos werden gemacht. Ein Herr verabschiedet sich von mir per Handschlag und - wie im Film - überreicht mir mit einem Augenzwinkern in seiner Hand versteckt einen 100 $ Schein, wünscht mir gute und sichere Fahrt und verschwindet. Der zweite ältere Herr, welcher sich von mir verabschiedet, ist ein baptistischer Priester und wird für mich beten. Der nächste Herr übergibt mir freudestrahlend eine kleine Tüte gefüllt mit Leckereien. Dann verabschiede ich mich und die Besitzerin überreicht mir eine riesige Tüte voll mit Donuts, sicherlich 10 Stück, beträchtlich schwer. Ich wollte doch nur einen Kaffee und einen Donut...
Ich fahre los und es drängt sich eine Frage auf: was bitte mache ich mit über einem Kilo Donuts? Aufessen? Und wie lange halten sich Donuts bei über 30 Grad? Ich beschliesse sie nicht zu essen, sondern zu verschenken und finde auch bald eine kleine Gruppe von fleissigen Bauarbeitern, welche sich sehr freuen.
Wieder auf dem Trail komme ich gut voran. Ich unterhalte mich kurz mit einem Reiseradfahrer, welche seine Tour gemeinsam mit einem Dinosaurier unternimmt. Da freut sich die Ente!
Dann bremst mich ein weiter platter Reifen aus. Ich beschliesse im nächsten kleinen Ort beim einem schnuckeligen B&B nach einem Zimmer zu fragen, verzichte auf das Reparieren des Reifens und pumpe für die verbleibenden drei Meilen dreimal nach. Und tatsächlich: Jerry hat ein Zimmer frei, ich bekomme die "Honeymoon Suite" und repariere nach dem Duschen ganz in Ruhe den platten Reifen. Den Mantel tausche ich gleich mit aus, das Profil war bereits sehr weit runtergefahren.
Dann lerne ich Babs und Tom kennen. Die beiden sind pensioniert und fahren den Katy Trail in kleinen Etappen. Sie laden mich zum Abendessen ein und danach lassen wir den Abend gemeinsam mit Jerry und einem Stück von ihm selbst gemachtem Bananen Pie auf der Veranda ausklingen.

Eine typische Raststation auf dem Trail.
Ein kurzer "Schnack" mit dem Kollegen... 
Im Donut Café, vor der "Hall of Fame".

Wer den Artikel gerne lesen möchte, findet ihn unter folgendem Link:
http://sedaliademocrat.com/news/12831/swiss-cyclist-stops-for-donuts

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