Dienstag, 10. Mai 2016

Das abenteuerliche an meiner Radtour? Spontanität und Bauchgefühl!

Der Tag auf dem Rad nach Cedar City hat mich aus der Bahn geworfen. Eine relativ lange Etappe, viel Wind, wenig zu sehen. Was mich wirklich belastet sind die vielen leblosen Tiere am Strassenrand und der typische Geruch, der von verwesenden Körpern ausgeht. Ich habe an diesem Tag mehr tote als lebendige Tiere gesehen. Kleine Tiere wie Kaninchen, Schlangen und Vögel sind meist in Fetzen zerrissen und liegen über die Fahrbahn zerstreut - hier eine Pfote, da ein paar Öhrchen. Grosse Tiere liegen am Strassenrand und verwesen vor sich hin, meistens Hirsche, Kühe oder Pferde. Es riecht bereits etwa 50 Meter bevor ich den Kadaver sehe. Aasvögel kreisen über dem toten Körper. Mir läuft jedes Mal ein Schauer über den Rücken. Ich trete fester in die Pedale, damit es schnell vorbei ist. Die letzten drei toten Tiere, welche ich an diesem Tag sehe, sind Kühe. Sie liegen direkt am Strassenrand. Aufgebläht wie Luftballons, die Beine wie Stecknadeln vom Körper abstehend. Ich hoffe inständig, dass die Körper nicht platzen während ich an ihnen vorbeifahre. An diesem Tag ist mir das Radfahren zuwider.
Ich komme in Cedar City an, fühle mich ausgebrannt. Ich schiebe das Rad in mein Zimmer, lege mich verschwitzt und dreckig auf das Bett. Ich bin aufgewühlt und denke nach. Ich entschliesse mich das Rad für ein paar Tage nicht anzufassen und möchte eine Bustour zum Grand Canyon unternehmen.
Aber leider habe ich keine ansprechenden Angebote gefunden und so mietete ich kurzerhand ein Auto. Dann fahre ich eben nicht nur zum Grand Canyon, sondern einfach einmal drum herum. Choiceline ist angesagt und ich suche mir mein Auto für die kommenden Tage aus. Schlichte, elegante Form, ausreichend Pferdestärken, ansprechende Soundanlage, knappe 2000 Meilen gefahren - ich bin glücklich. Gross genug für mich, die Ente, mein Rad und meine Klamotten. Sonnenbrille auf, Klimaanlage an, Tempomat rein und wahlweise Pink Floyd, U2 oder Rod Steward auf volle Lautstärke.
Es geht Richtung Südosten, vorbei am Marble Canyon zum Monument Valley - eine kleine zusätzliche Schlaufe - zum Südrand des Grand Canyon, über Las Vegas zum Zion Nationalpark und zurück nach Cedar City. Ein entspanntes dahingleiten mit 65 Meilen pro Stunde. Die Landschaft verändert sich schnell. Ich sehe viel, versuche alle Eindrücke in mich aufzusaugen. Es gelingt mir nicht. Zu schnell ist das Tempo, zu gewaltig und eindrücklich das Gesehene.
Gewaltige Blöcke aus Gestein im Monument Valley sind in rötliche Farben gehüllt, umsäumt von vielen kleinen Sträuchern welche die Landschaft aussehen lassen wie die Oberfläche einer Erdbeere. Nur einen Steinwurf entfernt der grösste Canyon der USA, der Grand Canyon. Gewaltig, nicht auf Fotos zu erfassen und voller Farben. Ein Condor - welcher eine Flügelspannweite von bis zu drei Metern erreicht - fliegt über den Canyon. Ich muss ihn genau verfolgen, sonst verschwindet er einfach. So gewaltig ist dieser Canyon, bis zu 1600 Metern tief. Andächtig sitze ich am Rad des Canyons und schaue einfach nur runter, ich könnte stundenlang so dasitzen.
Aber an diesem Tag habe ich ja noch ein weiteres Ziel - Las Vegas! Vorher noch ein kurzer Abstecher zum Hoover Damm, denn ich habe noch genug Zeit und werde mich in Las Vegas sicherlich schnell zurecht finden. Dort kann man sich ja nicht verfahren, es gibt schliesslich nur eine Strasse, ach ja?
Mein Hotel liegt in Downtown, ich verfahre mich selbstverständlich, finde mich aber schnell zurecht und auch das Hotel. Ich parke vor der Rezeption und steige aus. Ein junger Mann kommt auf mich zu, er erwartet irgendwas. Ich weiss aber nicht was und erkundige mich, ob ich hier zum Einchecken richtig sei. Ja, das bin ich. Also rein ins Hotel, durch die Spielhalle zum Check in. Überall Musik, Lichter, Menschen. Ich checke ein und erkundige mich wo ich parken kann. Valet Parking ist angesagt. Jetzt weiss ich auch, was der junge Mann von mir wollte... Ich gebe ihm meine Autoschlüssel, erhalte einen kleinen Zettel. Das wars. Ich erkunde mein Zimmer, das Hotel, das Casino und komme mir schon fast ein bisschen blöd vor, als ich nach etwa 30 Minuten meinen Wagen wiederhaben möchte. Aber alles kein Problem.
Auf geht's zum Las Vegas Strip, vorbei am Stratosphere, Circus Circus, Palazzo, Venetian, Mirage, Caesars Palace, Bellagio, Cosmopolitan, Excalibur und wie die Hotels noch so heissen, eins neben dem anderen und kitschiger als das andere. Ich parke beim Monte Carlo und gehe zu Fuss bis zum Bellagio. Schaue mir die Springbrunnenshow mit gefühlt tausend anderen Menschen zusammen an. Ich soll unbedingt auch ins Hotel rein gehen und die Blumen bewundern.
Ich weiss nicht so richtig was ich von Las Vegas halten soll. Begeistert vom Flair dieser Stadt, irritiert mich genau das was diesen Flair ausmacht: aufdringliche Lichter, Gerüche und ständige Musikbeschallung aus sämtlichen Ecken. Die Menschenmassen lassen mich rast- und ruhelos werden. Ich verweile nirgends länger als ein paar Minuten und bin froh, als meine Autotür schliesst. Zurück im Hotel starte ich auf direktem Weg ins Zimmer durch, es ist mittlerweile Mitternacht und ich bin müde vom langen Tag. Auch in der Nacht gibt es eine ständige Geräuschkulisse, von draussen und aus den Nachbarzimmern. Ich schlafe dennoch gut, denn die Ohropax bleiben bis zum Aufstehen in meinen Ohren.
Den heutigen Tag starte ich gemütlich und cruise langsam Richtung Norden, vorbei an einer Geisterstadt, zum Zion Nationalpark. Viele Touristen sind unterwegs, die Parkplätze überfüllt. Ich bin gegen Mittag bereits zu spät, esse eine Kleinigkeit und werde den Park heute nicht betreten. Ich erfahre von einem Ranger, dass man im Zion Nationalpark von unten auf die Landschaft schaut, im Bryce Canyon von oben. Den Bryce Canyon werde ich in den kommenden Tagen mit dem Fahrrad erkunden.
Ab morgen geht es wieder aufs Rad. Ich habe mir fest vorgenommen zu zelten, bin auch bereits unter Vorbehalt angemeldet. Die Dame am Telefon ist sehr freundlich, wünscht mir gute Beine und eine gute Fahrt. Ich freue mich schon sie kennenzulernen. Aber zuerst steht ein hartes Stück Arbeit auf dem Programm. Es geht über die zweithöchste befestigte Strasse der USA, auf 3239 Meter über Meeresspiegel.
Oft bin ich gefragt worden, warum ich nicht direkt nach Osten gefahren sei - ich müsste doch eigentlich in Salt Lake City sein, das wäre mehr oder weniger der direkte Weg. Ich folge dem Western Express, einem nationalen Fernradweg. Ab jetzt führt mich dieser Weg auch ziemlich direkt nach Osten, an Dolores vorbei nach Pueblo. Dort werde ich aus den Rockies fallen - so nennen es die Amerikaner: "you drop out of the Rookies".

Auf diesem Beifahrersitz ist auch die Ente happy.
Monument Valley - grandiose Farben!
Grand Canyon - einfach gewaltig!
Am Hoover Damm ist es etwas windig ;-). 
Las Vegas - bunt und laut!

2 Kommentare:

  1. Ahh - du hast eine neue "Fritte"! Steht dir gut! Geile Fotos - diese Eindrücke hast du nach dem Kadaverhigway auch redlich verdient! Weiterhin alles Gute!

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  2. Great! You figured a way to get to the Grand Canyon.

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